Noch ist es die Norm, dass Scrum-Schulungen an zwei Tagen für jeweils 8 Stunden stattfinden.
Wie wird das in der Zukunft aussehen?
Am 9. September kamen über 70 Professional Scrum Trainer zu einem Open Space zusammen, um sich über Scrum und dessen Anwendung auszutauschen und voneinander zu lernen. Bei diesen Treffen trieb mich die Frage um: Wie wird sich die Trainingslandschaft in den kommenden Jahren verändern? Nach diesem Tag zeichneten sich für mich drei richtungsweisende Trends ab, die ich dir jetzt vorstellen möchte.
Trend Nr. 1: Flipped Learning lässt den Trainer zum Learning Facilitator werden
Die klassische Form des Unterrichts besteht aus lehrergelenkten Unterrichtsphasen im Klassenzimmer und darauf aufbauenden Übungen zu Hause. Wir kennen das alle nur zu gut aus unserer Schulzeit.
Flipped Learning oder umgedrehter Unterricht stellt dieses Konzept auf den Kopf. Der direkte Unterricht wird vom Lernraum in der Gruppe in den individuellen Lernraum verlagert. Die freiwerdende Lernzeit in der Gruppe wird nun als dynamische, interaktive Lernumgebung genutzt. Dabei steht der Lehrer den Schülern bei der Anwendung des Lernstoffs zur Seite. In Schulungen, die dem Konzept des umgedrehten Unterrichts folgen, wird der Trainer zum Learning Facilitator. Ich denke, dieser Trainingsansatz wird sich in Zukunft stark verbreiten. Wissen über Scrum gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Etwa sind Lerner nicht mehr auf den Trainer angewiesen, um das Scrum Rahmenwerk zu lernen. Diese Informationen finden sie auch in Büchern, Videos oder Artikeln. Der Trainer ist also nicht mehr die primäre Informationsquelle. Seine Aufgabe ist es, den Trainingsteilnehmern zu helfen, ihr Wissen zu vertiefen, indem er dedizierte Übungen zur Vertiefung des Wissens bereitstellt und Fragen beantwortet, die über das reine Bücherwissen hinausgehen.
Wenn du mehr über Flipped Learning erfahren willst, dann empfehle ich dir diese Seite. Scrum.org testet gerade den neuen Ansatz anhand eines „Professional Scrum Master“-Trainings.
Trend Nr. 2: Häufige Reflexionszyklen ermöglichen die praktische Anwendung des Gelernten noch innerhalb des Trainings
Kürzer ist besser als länger.
So lautet ein Prinzip im „Training from the Back of the Room“. Denn das menschliche Gehirn lernt am besten, wenn Inhalte in kleinere „Informationsbrocken“ unterteilt werden. Ein typisches Beispiel sind Telefonnummern. Laut Patricia Wolfe, einer Pionierin bei der Anwendung neurowissenschaftlicher Forschung in der Unterrichtspraxis, speichern wir Telefonnummern nicht als eine Liste von zehn Ziffern, sondern als zwei Teile von drei Ziffern und einem Teil von vier Ziffern. Das Gleiche gilt für die Unterteilung von Lerninhalten in kürzere Zeitabschnitte. Unser Langzeitgedächtnis wird zuverlässiger, wenn man neue Informationen schrittweise aufnimmt und in zeitlichen Abständen wiederholt.
Wenn wir zweitägige Scrum Trainings nun auf mehrere Tage aufteilen, dann profitieren die Lernenden von diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ich glaube, dass Scrum-Schulungen typischerweise an zwei aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils acht Stunden stattfinden, hat eher etwas mit der Reduzierung von Reisekosten und Reisezeit zu tun und weniger mit dem Lernerfolg. Da Reisekosten und Reisezeit nicht mehr der ausschlaggebende Faktor bei Onlinetrainings sind, sollten Scrum-Trainer den Lernerfolg ihrer Trainingsteilnehmer ins Zentrum rücken.
Ich muss leider zugeben, dass ich auch bei Onlinetrainings das Zwei-Tage-und-acht-Stunden-Konzept verfolge. Mit meinem nächsten „Professional Scrum Master“-Training möchte ich dies ändern. Es findet an vier Vormittagen von 9:00 bis 12:30 Uhr statt. Ich hoffe, dass sich das Wissen durch mehrere Reflexionszyklen tiefer verankert und dass die Teilnehmenden die Gelegenheit haben, die Lerninhalte bereits an den Nachmittagen praktisch anzuwenden. Insgesamt erhoffe ich mir von dieser Umstellung, dass Lernen effektiver gelingt.
Kohortenbasiertes Lernen hilft den Lernern, die Verantwortung für den Lernerfolg zu übernehmen
Kohortenbasiertes Lernen ist aus meiner Sicht ein ganz neuer Trend in der Trainingslandschaft. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass eine Gruppe von Lernenden gemeinsam den Kurs durchläuft. Dies steht im Gegensatz zu vielen Onlinelernangeboten, in denen die Teilnehmer die Lektionen einer Schulung nur allein durchlaufen.
Die Vorteile hierbei liegen auf der Hand:
- Die Verantwortung, den Kurs wirklich abzuschließen, wird gestärkt.
- Das Gelernte kann in der Gruppe direkt angewandt werden.
- Das Format fördert die Bildung von Lerngemeinschaften.
Aus meiner Sicht zeigt dieses Trainingsformat besonders seine Stärken, wenn es um die Entwicklung von Fähigkeiten geht.
Das PSM3-Bootcamp basiert genau auf dieser Idee. 30 Tage lang haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, 30 schwierige Scrum-Fragen zu beantworten. Die Entwicklung der Fähigkeit, schwierige Scrum-Fragen in kurzer Zeit zu beantworten, ist eine der Schlüsselfähigkeiten, um die Professional-Scrum-Master-3-Prüfung zu bestehen. Dabei übernehmen sie Verantwortung für ihren Lernerfolg und den Erfolg der anderen, indem sie mit einem Accountability-Partner zusammenarbeiten und an Gruppensessions teilnehmen.
Wenn sich der Trainer weg vom Lehrer hin zum Learning Facilitator entwickelt, wann wird er dann überflüssig?
Ein Professional Scrum Trainer wird bei Scrum.org-Trainings weiterhin ein zentraler Bestandteil sein. Bei Scrum-Trainings geht es eben nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um die konkrete Frage der Anwendung. Und diese kann nur ein erfahrener Scrum-Anwender beantworten. Allerdings glaube ich, dass sich die Art und Weise, wie Scrum-Schulungen durchgeführt werden, in den kommenden Jahren stark verändern wird.
Welchen richtungsweisenden Trend siehst du in der Trainingslandschaft? Schreib diesen doch in die Kommentare.