Heute möchte ich dir mein Geheimnis hinter diesen positiven Bewertungen verraten.
Betrachten wir dazu folgende Bewertung:
Was mich besonders stolz macht, sind diese Aussagen:
- „Er kombinierte gekonnt Einzelaufgaben, Partnerübungen und Gruppenaktivitäten, wodurch die Lernerfahrung interaktiv und höchst effektiv war.“
- „Die Einzelaufgaben ermöglichten eine persönliche Reflexion, während die Gruppenaktivitäten wertvolles Peer-to-Peer-Lernen ermöglichten. Die Gruppenübungen waren besonders fesselnd, da sie reale Szenarien simulierten und die gemeinschaftliche Problemlösung förderten.“
Warum hebe ich gerade diese beiden Passagen hervor?
Ich glaube, der Schlüssel zu wirklich guten Schulungen liegt in der Beteiligung der Teilnehmer. Menschen besuchen keine Schulung, wenn es ihnen nur um das Wissen geht. Dazu könnten sie auch ein Buch lesen oder einen Vortrag bei YouTube ansehen. Teilnehmer besuchen Schulungen, da sie sich mit anderen austauschen wollen, neue Fähigkeiten lernen möchten, indem sie diese gemeinsam mit anderen ausprobieren, und ihre täglichen Herausforderungen mit anderen besprechen, um Hilfe zu erhalten.
Diese Passagen des Reviews zeigen mir, dass mir dies für Nicolas gelungen ist.
Mein Geheimnis: Ich nutze viele Liberating Structures in meinen Schulungen. Eigentlich immer dann, wenn die Teilnehmer eine Frage beantworten sollen.
Wie das aussieht, erfährst du jetzt (verpackt in vier Tipps, zum direkten Nachmachen):
Tipp 1: Nutze „Impromptu Networking“, damit Teilnehmer Herausforderungen teilen
Wie könnte eine Schulung beginnen, die nicht mit der Vorstellung des Trainers, einer Vorstellungsrunde oder der Besprechung der Agenda beginnt? Also eine Schulung, die von Minute eins an die Teilnehmer aktiv beteiligt?
Mit drei Runden spontanem Netzwerken. Also einem Austausch zu einer Frage, die Teilnehmer einbezieht und relevant für den Verlauf der Schulung ist.
Hier ein Beispiel, wie mein „Professional Scrum Backlog Management Skills“-Training beginnt: Ich präsentiere den Teilnehmern Fragen und lade sie ein, sich paarweise für fünf Minuten dazu auszutauschen. Davon mache ich drei Runden, immer mit den gleichen Fragen, aber unterschiedlichen Paaren. Dieses Vorgehen ist als „Impromptu Networking“ bekannt.
Hier die Fragen im Detail:
- Wer bist du? Was sind dein Name, deine Hobbys, deine Rolle und dein Hintergrund?
- Aktueller Product Backlog: Wie viele Einträge umfasst dein aktueller Product Backlog? Was sind die größten Herausforderungen für dich beim Produkt-Backlog-Management?
- Dein Lernziel: Welches Wissen möchtest du dir mit dieser Schulung aneignen?
Und hier noch mal die Schritte des „Impromptu Networking“:
- Bitte die Teilnehmer, sich paarweise zusammenzutun und sich gegenseitig diese Fragen zu beantworten. Gib ihnen etwa 5 Minuten Zeit. Das ist Runde eins.
- In jeder neuen Runde suchen sich die Teilnehmer einen neuen Partner.
- Führe insgesamt drei Runden durch.
Mit „Impromptu Networking“ startet jede Schulung sofort interaktiv. Nun schauen wir uns an, wie du bei der Beantwortung von Fragen alle Teilnehmer einbeziehst.
Tipp 2: Nutze „1-2-4-All“, um alle Teilnehmer bei der Generierung von Antworten einzubeziehen
Was ist das Problem mit Vielrednern in Schulungen?
Nicht, dass sie viel reden, sondern dass die anderen nicht reden.
Ich wünsche mir Schulungen, in denen alle Teilnehmer viel reden. Jay Cross, der Autor von „Informal Learning“, bringt es auf den Punkt: „Lernen ist sozial. Wir lernen von, durch und mit anderen Menschen.“ Wenn die Teilnehmer in der Schulung über das Gehörte diskutieren, verarbeiten sie die Informationen dreimal: erstens durch Zuhören, zweitens durch Nachdenken und drittens durch Wiederholung mit eigenen Worten. Viele Studien belegen dies, und du kennst bestimmt auch den Satz:
„Der beste Weg, etwas zu lernen, ist, es zu lehren.“
Also: Wenn du mir zustimmst, dass wir nicht Vielredner stoppen sollten, sondern allen viel Redezeit ermöglichen sollten, dann erkläre ich dir, wie ich das mache.
Ich nutze bei jeder Beantwortung einer Frage durch die Teilnehmer die Liberating Structure „1-2-4-All“. Hier ein Beispiel, wie ich sie im „Professional Scrum Facilitation Skills“-Training nutze. Dort stelle ich den Teilnehmern die Frage:
„Was macht gute Facilitation aus?“
Dann lade ich sie ein, die Frage für sich in Stille zu beantworten. Nach einer Minute bitte ich jeden Teilnehmer, sich zwei Minuten Zeit zu nehmen, um in Paaren die beiden Antworten weiterzuentwickeln. Dann lade ich die Paare ein, ihre Antworten mit einem anderen Paar zu diskutieren und zu ergänzen. Nach vier Minuten bitte ich die Vierergruppen, ihre beste Antwort mit allen in der Schulung zu teilen.
Durch den parallelen Ablauf der Gespräche kommen innerhalb kürzester Zeit alle gleichberechtigt zu Wort. Anders ausgedrückt: Alle Teilnehmer werden zu Vielrednern!
Hier noch einmal alle Schritte von „1-2-4-All“:
- Beginne mit der Bitte, eine Minute in stiller Selbstreflexion über eine Frage nachzudenken.
- Lade jeden dazu ein, sich zwei Minuten Zeit zu nehmen, um in Paaren Ideen zu entwickeln, die auf den Antworten der Selbstreflexion aufbauen.
- Nun lade die Paare ein, sich ein anderes Paar zu suchen und in diesen Vierergruppen die nächsten vier Minuten zu nutzen, um ihre Ideen, die sie als Paar diskutiert haben, auszutauschen und weiterzuentwickeln. Erinnere die Teilnehmer noch einmal daran, auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu achten.
- Zum Schluss bitte die Vierergruppen, ihre Antworten, Einsichten und Erkenntnisse mit allen anderen zu teilen, indem du die Frage stellst: „Welche Idee ist dir in dem Gespräch besonders in Erinnerung geblieben?“
Mittels Wortmeldungen Ergebnisse zu teilen, ist nur eine Möglichkeit; eine andere verrate ich dir jetzt:
Tipp 3: Nutze „Shift & Share“, um den Teilnehmern das Teilen ihrer Arbeitsergebnisse zu ermöglichen
Präsentationen von Arbeitsergebnissen haben ein großes Problem:
Sie erlauben nur wenig Diskussion.
Eine Person stellt vor, und bestenfalls stellt eine andere Person eine Frage und erhält eine Antwort. Als Trainer möchte ich jedoch mehr Fragen, mehr Feedback, mehr Diskussion. Einfach mehr Austausch. Dazu nutze ich die Liberating Structure „Shift & Share“. Dabei teilen die Teilnehmer ihre Arbeitsergebnisse nicht mit der ganzen Gruppe, sondern präsentieren sie an Stationen prägnant einer kleinen Gruppe von Teilnehmern. Diese Kleingruppen durchlaufen nacheinander alle Stationen. Dieser intimere Rahmen ermöglicht es, dediziert Fragen zu stellen und Feedback zu den Ergebnissen zu geben.
Hier ein Beispiel, wie ich es im „Applying Professional Scrum“-Training nutze:
Ich teile die Teilnehmer in fünf Gruppen auf. Jede Gruppe widmet sich einem der Scrum-Events. Ich teile ihnen Informationen zu jedem Event aus. Nun bekommen sie die Aufgabe gestellt, zu ihrem Event sechs Fragen zu beantworten:
- Was ist der Zweck der Veranstaltung?
- Was sind die Inputs und Outputs des Ereignisses?
- Wie sieht eine Tagesordnung für die Veranstaltung aus?
- Wer muss an der Veranstaltung teilnehmen?
- Was ist der Zeitrahmen? Was ist, wenn der Sprint nur zwei Wochen dauert?
- Was könnte sonst noch wichtig sein?
Mit den Antworten sollen sie ein Plakat gestalten. Nach etwa 10 Minuten rotieren die Gruppen und präsentieren die Resultate der anderen Gruppe. Dabei bleibt immer ein Mitglied an der Station, um die Ergebnisse den ankommenden Gruppen zu erzählen, Feedback einzuholen und Fragen zu beantworten.
Hier noch einmal alle Schritte von „Shift & Share“:
- Erkläre den Ablauf wie folgt: Kleingruppen werden von Station zu Station wandern. An jeder Station finden eine Präsentation und eine kurze Fragerunde statt.
- Bitte die Gruppen, sich in etwa gleich großen Kleingruppen auf die Stationen aufzuteilen.
- Die Kleingruppen wechseln im Uhrzeigersinn von Station zu Station, bis sie alle Stationen besucht haben.
Wenn alle Ergebnisse der Arbeit geteilt wurden, geht es am Ende jedes Trainings darum, dass die Teilnehmer das Gelernte in ihren Arbeitsalltag integrieren.
Hierzu mein letzter Tipp:
Tipp 4: Nutze die „15-%-Lösung“, damit Teilnehmer umsetzbare Maßnahmen für ihren Alltag identifizieren
Zwei Probleme, warum häufig keine Entwicklung nach der Schulung stattfindet:
- Die Maßnahmen sind zu groß, um umgesetzt zu werden.
- Die Maßnahmen liegen nicht im Einflussbereich des Teilnehmers.
Um dies zu verhindern, stellt die „15-%-Lösung“ eine Alternative dar. Daniel Steinhöfer, der Autor von „Liberating Structures: Entscheidungsfindung revolutionieren“, drückt es treffend aus:
„Die ‚15-%-Lösungen‘ bieten einen Gegenentwurf zu den omnipräsenten ‚Action Items‘ in Maßnahmentabellen (‚Wer?‘ macht ‚Was?‘ bis ‚Wann?‘), bei denen Aufgaben verteilt werden, anstatt sie intrinsisch motiviert für sich selbst zu entdecken und – das ist der größte Unterschied – sie dann auch wirklich zu erledigen.“
Hier ein Beispiel, wie ich sie im „Professional Scrum Professional Product Owner“-Training nutze:
Nachdem ich den Teilnehmern ein „Product Owner Reifegradmodell“ vorgestellt habe, bitte ich sie, den gesamten Abschnitt „Agiles Product Management“ Revue passieren zu lassen und sich dann die kleinen Maßnahmen – die „15-%-Lösungen“ – zu notieren. Die Maßnahme muss so klein sein, dass sie direkt und autonom nach der Schulung umgesetzt werden kann.
Hier noch einmal alle Schritte der „15-%-Lösung“:
- Erkläre den Teilnehmern zuerst die Idee der „15-%-Lösungen“.
- Dann stelle den Teilnehmern die Frage: „Was ist deine ‚15-%-Lösung‘? Wo kannst du frei handeln, ohne um Erlaubnis oder nach zusätzlichen Ressourcen fragen zu müssen?“
Wenn du diesen Artikel hilfreich fandest, dann wird dir auch dieser Artikel von mir helfen: „Lernen bedeutet nicht wissen! 4 Schritte, um in Schulungen jeden einzubeziehen und der reinen Wissensvermittlung den Rücken zu kehren“. Wenn du bereit bist, tiefer einzutauchen, dann wirf einen Blick auf mein „Training from the Back of the Room“-Training. Dort helfe ich dir persönlich deine Schulungen und Trainings zu verbessern.