Willst du als Scrum Master langfristig Karriere machen?
Dann empfehle ich dir, den Weg zur Führungskraft einzuschlagen.
Natürlich gibt es auch andere Wege, wirksam zu sein und gut zu verdienen. Diese habe ich bereits ausführlich in diesem Artikel beschrieben. Allerdings stellt für mich der Karrieresprung zur Führungskraft den vielversprechendsten Weg dar. Zum einen sehe ich diese Karriereentwicklung sehr häufig. Zum anderen kann ich mir kein Unternehmen ohne Führungskräfte vorstellen. Was unterscheidet eine Führungskraft von anderen Mitarbeitern im Unternehmen?
Erfolgreiche Führungskräfte delegieren Aufgaben.
Nur durch Delegation von Aufgaben werden sie nicht zum Flaschenhals und das Unternehmen kann stetig wachsen. Wie auch du diese Fähigkeit erlernen kannst, zeige ich dir in drei konkreten Schritten. Damit kannst du Schritt für Schritt die Karriereleiter erklimmen.
Los geht’s:
Schritt 1: Schaffe dir einen Überblick über deine Aufgaben
Mein liebstes Werkzeug hierfür ist das Ecocycle Planning.
Es ist angelehnt an den Lebenszyklus der Natur. Dieser sieht grob so aus: Fällt ein Samenkorn in fruchtbaren Boden, so keimt es (Erneuerung). Die Keimlinge benötigen wiederum ausreichend Sonne, Wasser, Schutz und Mineralien, um zu wachsen (Wachstum). Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wachsen die Keimlinge zu Pflanzen heran, die Früchte tragen und neue Samen verbreiten (Reifung). Doch irgendwann sterben die alten Pflanzen ab und werden kompostiert, um Energie für neue Pflanzen zu gewinnen. Dadurch wird Platz geschaffen, damit neue Pflanzen aus den Samen im Boden wachsen können (kreative Zerstörung).
Du kannst Ecocycle Planning nutzen, um dir einen Überblick über dein Portfolio von Aufgaben zu verschaffen.
Gehe dabei so vor:
- Schreibe alle Aktivitäten, Aufgaben und Verantwortungen auf, die du derzeit erledigst.
- Dann ordne sie entlang des Lebenszyklus ein. Aktivitäten, die bereits gut funktionieren und dem Team viel Nutzen stiften, solltest du in die Reifephase einsortieren. Aufgaben, die dir noch schwerfallen und noch begrenzten Nutzen liefern, fallen eher unter Wachstum.
Nachdem du alle Aktivitäten, Aufgaben und Verantwortungen eingeordnet hast, solltest du einen guten Überblick haben. So kannst du sehen, wo du deine Arbeitszeit investierst, und erkennst, welchen Nutzen du damit stiftest.
Schritt 2: Bestimme, wo du im Moment auf der Scrum-Master-Karriereleiter stehst
Angenommen, du bist neu als Scrum Master.
Du arbeitest vielleicht seit etwa einem Jahr in deinem ersten Team. Dann könnten solche Aktivitäten in der Reifephase auf deinem Ecocycle liegen:
- Scrum Guide studieren, um die Scrum Regeln zu verstehen
- Moderation der Scrum Events (Daily Stand-up, Sprint-Planning, Retrospektiven)
- Aktualisierung des Scrum Boards während des Stand-ups
- Aktualisierung der Sprint-Burndown-Charts für das Sprint-Review
- Erstellung von Termineinladungen und Vorbereitung von Meetings
- Transparentmachen der Teamarbeit durch Erstellung von Working-Agreements
Und wahrscheinlich liegen diese Aktivitäten eher in der Wachstumsphase auf deinem Ecocycle:
- Souverän „schwierige Gespräche“ moderieren
- Coaching der Teammitglieder, damit sie mehr Verantwortung für das Ergebnis des Sprints übernehmen
- Nutzung der Scrum Werte als Leitfaden bei der Moderation der Retrospektive statt einer strengen Agenda
- Förderung der Entscheidungsfindung im Team durch Transparenz von Entscheidungsprozessen
Nun nehmen wir die Scrum-Master-Karriereleiter zur Hand. Sie besteht aus fünf Stufen:
- Stufe 1: Erste Schritte in Richtung Scrum
- Stufe 2: Scrum nach den Regeln im Team anwenden
- Stufe 3: Dem Team helfen, Scrum anzuwenden und Verantwortung für das Ergebnis zu übernehmen
- Stufe 4: Dem Team helfen, Scrum zu leben (Prinzipien und Werte) und die ganze Wertschöpfungskette zu verbessern
- Stufe 5: Das Unternehmen kontinuierlich verbessern und andere Scrum Master ausbilden
(Wenn du die Stufen im Detail nachlesen willst, dann findest du sie hier ausführlich beschrieben.)
Vergleichen wir nun dein Portfolio an Aktivitäten mit der Karriereleiter für Scrum Master. Dann sehen wir, dass du dich auf dem Weg von der ersten Stufe zur zweiten Stufe befindest. Diesen Schritt nenne ich:
Vom Meeting-Moderator zum Scrum Facilitator.
Durch die Kombination von Ecocycle-Planning und Karriereleiter kannst du erkennen, welchen Aufgaben du mehr Energie widmen solltest. Du kannst erkennen, welche Aktivitäten du kreativ zerstören solltest. Außerdem kannst du erkennen, welche Verantwortungen du ablegen oder annehmen solltest. Auf diese Weise kannst du einen weiteren Schritt auf der Karriereleiter gehen. Hierbei ist eine Erkenntnis von entscheidender Bedeutung:
Ein Schritt auf der Karriereleiter bedeutet, neue Verantwortung zu übernehmen.
Was ein Problem nach sich zieht. Betrachten wir beispielsweise die Moderation des Daily Scrums. Dann muss das Daily Scrum weiterhin stattfinden, auch wenn du diese Zeit lieber damit verbringen würdest, den Product-Owner im Produktmanagement zu coachen. Das heißt, wenn du mehr Verantwortung übernehmen willst, dann musst du Aufgaben abgeben. Mehr noch: Du musst auch sicherstellen, dass sie weiterhin erledigt werden.
Und hier kommt das Delegieren ins Spiel.
Willst du also den Product-Owner beim Management des Backlogs unterstützen? Dann solltest du die Durchführung des Daily Scrums an die Entwickler delegieren. Aber Delegieren ist leichter gesagt als getan.
Deshalb braucht es noch einen weiteren Schritt, um erfolgreich zu sein.
Schritt 3: Nutze unterschiedliche Delegationslevel, um Aufgaben abzugeben und neue Verantwortungen zu übernehmen
Aus leidvoller Erfahrung weiß ich:
Delegierst du das Daily Scrum, dann steht einiges auf dem Spiel. Im schlimmsten Fall findet das Daily Scrum nicht statt. Die Probleme im Test fallen deshalb zu spät auf. Dadurch werden die User-Stories nicht fertig. Im Sprint-Review musst du den Stakeholdern erklären, warum das Team das Sprint-Ziel nicht erreicht hat. Und statt die Retrospektive zu moderieren, hast du einen Termin mit dem Teamleiter. Deshalb lautet mein Rat an dich:
Delegiere nur so viel, dass du dich noch wohlfühlst.
Aber was bedeutet „wohlfühlen“?
Hierfür gibt es ein Werkzeug. Es stammt von Jürgen Appelo aus seinem Buch „Management 3.0“. Er nennt es die 7 Delegationslevel. Ich nenne sie lieber die 7 Wohlfühl-Level einer Entscheidung.
Hier die 7 Level am Beispiel der Moderation des Daily Scrums:
- Verkünden: Als Scrum Master leitest du das Daily Scrum selbst und teilst den Entwicklern lediglich mit, was sie tun sollen. „Hier sind die Fragen, die ihr im Daily Scrum beantworten sollt ...“
- Verkaufen: Als Scrum Master leitest du das Daily Scrum und erklärst den Entwicklern die Gründe für die Struktur und die Fragen: „Ich moderiere das Daily Scrum so, weil ...“
- Befragen: Als Scrum Master holst du das Feedback der Entwickler zur Moderation des Daily Scrums ein, triffst aber letztendlich selbst die Entscheidung über die Struktur und die Fragen: „Ich moderiere das Daily Scrum, aber ich möchte euer Feedback dazu hören, bevor ich endgültig entscheide, wie wir das Daily Scrum machen, damit es produktiv ist.“
- Einigen: Als Scrum Master arbeitest du mit den Entwicklern gemeinsam an der Struktur und den Fragen des Daily Scrums und ihr kommt zu einer gemeinsamen Entscheidung: „Lasst uns gemeinsam die Struktur des Daily Scrums durchgehen, damit wir alle damit einverstanden sind.“
- Beraten: Die Entwickler moderieren das Daily Scrum, nachdem sie deine Meinung eingeholt haben. Als Scrum Master gibst du noch Ratschläge, hast aber kein Vetorecht: „Ihr könnt das Daily Scrum so gestalten, wie ihr es für hilfreich erachtet, aber lasst mich euch noch einige Ratschläge dafür geben.“
- Erkundigen: Die Entwickler führen das Daily Scrum eigenständig. Du fragst lediglich nach, ob sie Hilfe brauchen. „Moderiert das Daily Scrum eigenständig und informiert mich danach, ob ihr weitere Hilfe braucht.“
- Delegieren: Die Entwickler übernehmen die volle Verantwortung für die Moderation des Daily Scrums. Du bist als Scrum Master nicht mehr involviert: „Ihr habt die volle Verantwortung, das Daily Scrum produktiv zu gestalten. Ich vertraue darauf, dass ihr die besten Entscheidungen trefft.“
Wie du sehen kannst, ist Delegieren eben keine Ganz-oder-gar-nicht-Entscheidung. Sondern du kannst dich mit kleinen Schritten ans Delegieren herantasten, sodass du dich mit deiner Entscheidung immer noch wohlfühlst.
Gleichzeitig schaffst du so schrittweise Platz für die Übernahme neuer Verantwortung. Die Übernahme weiterer Verantwortung hilft dir, auf der Karriereleiter weiterzukommen. Und das ist die Fähigkeit, die erfolgreiche Führungskräfte auszeichnet.
Delegieren als Sprungbrett einer Karriereentwicklung
Nun kennst du die drei Schritte, wie du delegierst.
Vergiss dabei nicht: Delegieren ist eine Fähigkeit. Es braucht Zeit, diese zu erlernen. Je besser du darin wirst, desto mehr zeigen sich deine Führungsqualitäten. Je mehr deine Führungsqualitäten zum Vorschein kommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass du bei der Besetzung der nächsten Führungsposition in Betracht gezogen wirst.
Wenn du neben dem Delegieren noch lernen willst, Ziele richtig zu definieren, Teamerfolg messbar zu machen, Mitarbeiter einzustellen, Mitarbeitende ganzheitlich zu fördern und über Werte und Prinzipien zu führen anstatt über Regeln und Verbote, dann besuche das nächste „Professional Agile Leadership“-Training. Von Marc Kaufmann und mir bekommst du dort all das Handwerkszeug, was dir helfen wird, eine Karriere als agile Führungskraft einzuschlagen.