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Ultimative Anleitung: Wie du als Product Owner in 6 Schritten Nein sagst – ohne Konflikte zu verursachen und das Vertrauen deiner Stakeholder zu verspielen

June 24, 2024
 

Wie häufig meinen wir Nein, aber wie häufig sagen wir es wirklich?

Am Ende meines Trainings für fortgeschrittene Product Owner müssen die Teilnehmer auf eine Anfrage des Geschäftsführers antworten. Du wärst erstaunt, wie viele Teilnehmer zwar Nein meinen, aber das Wort „Nein“ nicht über die Lippen bringen.

Nein meinen und Nein sagen sind also zwei unterschiedliche Dinge.

Wir alle kennen die Vorteile eines Neins. Es ist notwendig, damit sich das Team auf das Wesentliche konzentrieren kann. Nein sagen sorgt dafür, dass das Product Backlog kurz bleibt. Nein sagen ermöglicht es, die Zeit frei einzuteilen. Nein zu sagen ist wohl eine der wichtigsten Fähigkeiten, mit der ein Product Owner sein Team unterstützen kann.

Allerdings birgt das Wort „Nein“ auch ein großes Risiko. Nach einem unbedachten Nein kann eine harmlos wirkende Anfrage schnell zu einem Konflikt eskalieren. Mit einem unbedachten Nein ist das Vertrauen der Stakeholder auf lange Zeit verspielt. Ein unbedachtes Nein kann deiner Karriere also mehr schaden als nützen.

Ehrlich gesagt: Ich versuche bis heute, das Neinsagen zu meistern. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto besser gelingt es mir. Gleiches sehe ich auch bei den Product Ownern, die ich in den letzten Jahren begleitet habe.

Was ich ihnen dabei ans Herz lege, ist dieses 6-schrittige Vorgehen:

Schritt 1: Stakeholder bestimmen – Haushalte mit deiner Zeit

Die erste Frage, die du dir stellen solltest, lautet:

  • Mit wem sprichst du?
  • Woher kommt die Anfrage?
  • Welches Interesse hat die Person?
  • Welchen Einfluss hat die Person?

Zur Beantwortung kannst du die Stakeholder-Matrix nutzen.

Hier die vier Quadranten im Detail:

  • Promotoren sind Personen, die ein großes Interesse am Produkt haben und einen großen Einfluss auf seine Gestaltung ausüben, zum Beispiel Kunden, Investoren, wichtige Nutzer.
  • Verteidiger sind Personen, die einen erheblichen Anteil am Produkt haben und einen mäßigen oder geringen Einfluss auf das Produkt ausüben, zum Beispiel regelmäßige Nutzer des Produkts.
  • Verborgene sind Personen, die einen erheblichen Einfluss auf das Produkt haben, aber nicht wesentlich daran beteiligt sind. Dazu könnte ein Teamleiter gehören, dem die Mitglieder des Scrum-Teams unterstellt sind, ein Enterprise-Architekt oder UX-Researcher, dessen technische Entscheidungen vom Team befolgt werden müssen, oder ein wichtiger Kunde anderer Produkte des Unternehmens.
  • Das Publikum ist die Gruppe von Menschen, die weder ein Interesse am Produkt haben noch Einfluss auf die Entwicklung nehmen können. Hierbei könnte es sich um jede Person in eurem Unternehmen handeln, die in keine der obigen drei Kategorien fällt.

Für eine Anfrage eines „Verteidigers“ solltest du wahrscheinlich mehr Zeit investieren als für eine Anfrage aus dem „Publikum“. Der erste Schritt hilft dir zu entscheiden: Sollte der nächste Schritt eine E-Mail sein? Sollte es ein Telefonat sein? Oder sollte es ein persönliches Treffen sein?

Schritt 2: Anfrage klären – Missverständnisse vermeiden

Worum handelt es sich bei der Frage oder Bitte?

Jetzt sollte dein Credo lauten: Versuche zu verstehen, bevor du versuchst, verstanden zu werden.

So setzt du das Credo um:

Beginne damit, zuzuhören. (Wie wirkliches Zuhören geht, kannst du hier nachlesen.) Stelle dann Fragen. Und zum Schluss: Wiederhole die Bitte in deinen eigenen Worten. Nur so kannst du sicherstellen, dass du den Stakeholder wirklich verstanden hast.

Hier noch eine Liste von möglichen Fragen, die du nutzen kannst:

  1. Kannst du mir helfen, mir ein Bild davon zu machen, wie deine Idee in etwa aussehen wird?
  2. Wie hoch ist die Priorität für dich im Vergleich zu anderen Arbeiten, die wir gerade machen? Sollen wir das jetzt angehen oder genügt es auch im nächsten Sprint?
  3. Wie zeitkritisch ist diese Idee? Sollten wir sie erst im nächsten Jahr umsetzen, welche Marktchance hätten wir dann vertan?
  4. Was begeistert dich am meisten an dieser Idee?
  5. Wie passt diese Idee deiner Meinung nach in unsere Strategie – oder ist dies eine neue Richtung, die wir deiner Meinung nach einschlagen sollten?

Erst wenn du die Anfrage so gut verstanden hast, dass es zu keinen Missverständnissen mehr kommt, solltest du dir Gedanken machen, wie du antwortest. Es gibt wohl nichts Schlimmeres, als einem Stakeholder vorschnell die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Dies kann leicht geschehen, wenn du die Bitte nicht richtig verstanden hast.

Missverständnisse können Beziehungen langfristig beschädigen.

Schritt 3: Entscheidung fundiert treffen – offen bleiben und alle Faktoren abwägen

Die meisten Entscheidungen treffen wir aus dem Bauch heraus.

Evolutionär ist dies auch gut so. Bauchentscheidungen passieren in Millisekunden. Sie bieten somit die nötige Entschlussfreudigkeit in brenzligen Situationen. Stehen wir vor einem Säbelzahntiger, ist keine Zeit für Pro- und Kontralisten.

Bei wichtigen Unternehmensentscheidungen sollten wir uns hingegen mehr Zeit nehmen und fundiert abwägen. Dazu müssen wir unser Gehirn davon abhalten, auf den Bauch zu hören. Wir müssen also aufgeschlossen bleiben:

Hier 5 Fragen, die du dir dazu stellen kannst:

  1. Nimm deine Gefühle und die deines Teams vorerst aus der Gleichung heraus. Du kannst später immer noch darüber nachdenken, wie du die Änderungen mitteilen und umsetzen willst. Wenn du nicht mit einem Drama im Team konfrontiert wärst, ist dies dann eine objektiv gute Idee?
  2. Welches Ablaufdatum hat die Idee? Muss sie jetzt umgesetzt werden?
  3. Was ist der mögliche Nachteil, wenn die Idee scheitert? Was ist der potenzielle Vorteil, wenn sie gelingt?
  4. Steht der Vorschlag im Einklang mit unserer Geschäfts- oder Produktstrategie? Oder entfernt er uns davon?
  5. Wie wahrscheinlich ist es, dass das Unternehmen bessere Zahlen schreibt, wenn die Idee umgesetzt wird?

Auch wenn dein Bauch dir bereits zu einer Antwort rät, versuche offen zu bleiben und alle Szenarien sorgfältig abzuwägen. Dabei sind „Ja“ und „Nein“ nicht die einzigen Möglichkeiten. Ein „Später“ oder „Jetzt nicht“ könnte auch eine mögliche Option sein.

Nachdem du dich entschieden hast, musst du die Nachricht überbringen:

Schritt 4: Nein sagen ohne Konflikte – die richtige Kommunikation mit dem DISG®-Modell

Egal, ob du ein Nein oder Ja überbringst.

Motiviere deine Antwort immer aus der Perspektive des Stakeholders. Neben der Klassifizierung des Stakeholders durch die Stakeholder-Matrix kann dir hier auch eine Einschätzung des Persönlichkeitstyps helfen.

Die Frage, die du dir stellen solltest:

Wie möchte der Stakeholder die Antwort erhalten, damit er sie auch hören will?

Helfen ihm Fakten und Daten, um die Antwort zu verstehen? Oder hilft ihm das große Ganze, um die Antwort einzuordnen?

Damit du hier nicht raten musst, kannst du das DISG-Modell verwenden. Es ist ein nützliches Werkzeug, um verschiedene Persönlichkeitstypen besser zu verstehen und die Kommunikation gezielt anzupassen.

Die Abkürzung DISG steht für vier grundlegende Persönlichkeitstypen:

  • D – Dominant: direkt, wettbewerbsorientiert, ergebnisorientiert. Dieser Typ bevorzugt klare Fakten, Lösungsvorschläge und direktes Feedback.
  • I – Initiativ: begeisterungsfähig, kontaktfreudig, optimistisch. Dieser Typ schätzt Anerkennung, Beziehungsaufbau und eine positive Atmosphäre.
  • S – Stetig: ruhig, geduldig, teamorientiert. Dieser Typ legt Wert auf Sicherheit, Harmonie und gute zwischenmenschliche Beziehungen.
  • G – Gewissenhaft: sachlich, analytisch, perfektionistisch. Dieser Typ bevorzugt Daten, logische Argumente und eine strukturierte Herangehensweise.

Obwohl die meisten Menschen Anteile verschiedener Typen in sich vereinen, neigen die meisten zu einem dominanten Persönlichkeitsmuster. Durch genaue Beobachtung der Verhaltensweisen und Vorlieben deines Gegenübers kannst du seinen vorherrschenden Typ besser einschätzen.

Eine dominante Person beispielsweise reagiert oft besser auf direkte und faktenbasierte Argumente mit konkreten Lösungsvorschlägen. Beim stetigen Typ ist hingegen ein geduldiger und harmonischer Umgangston ratsam.

Damit erhöhst du die Chance, dass der Stakeholder deine Position versteht.

Schritt 5: Nein sagen – wähle eine passende Begründung

Hier drei Blaupausen, um deine Antwort zu begründen:

Nein. Aus folgendem Grund kann die Idee nicht umgesetzt werden:

  1. Geringer ROI: Der Arbeitsaufwand wird sehr hoch sein, der Nutzen gering.
  2. Strategisch falsch ausgerichtet: Diese Idee unterstützt nicht die breitere Strategie.
  3. Zu risikoreich: Die Wahrscheinlichkeit ist zu groß, dass wir scheitern und damit dem Unternehmen schaden.
  4. Schlechte Produkterfahrung: Dies wird die Produkterfahrung der Nutzer beeinträchtigen, ohne dass ein ausreichender Nutzen entsteht.
  5. Hohe Kosten: Die Kosten für Entwurf, Erstellung, Einführung und Wartung sind einfach zu hoch.

Ja, aber nicht jetzt, weil ... Stimmst du mir zu?

  1. Nimm das Product-Backlog zur Hilfe und geht es gemeinsam durch.
  2. Zeige das Sprint-Backlog des aktuellen Sprints mit Verweis auf das nächste Sprint-Planning.
  3. Wiederhole die Strategie und unter welchen Umständen diese Idee gut passt.
  4. Erkläre, warum diese Idee nicht dringend umgesetzt werden muss.

Ja. Aber dazu müssen wir ... anpassen.

  1. bestehende Prioritäten
  2. die Releasetermine
  3. die Anzahl der Entwickler im Team
  4. die Zusammenarbeit mit anderen Teams

Nachdem du die Nachricht kommuniziert hast, vergiss nicht den letzten Schritt:

Schritt 6: Verständnis sicherstellen – Feedback einholen und Reaktionen beobachten

Nachdem du Nein gesagt hast, ist das Gespräch noch nicht zu Ende.

Hier vier Fragen, die du dir durch den Kopf gehen lassen solltest:

  • Versteht der Stakeholder die Entscheidung?
  • Wie ist seine Reaktion?
  • Willst du jetzt diskutieren?
  • Oder verschiebst du die Diskussion auf später?

Wenn du wirklich sichergehen willst, ob dein Gegenüber deine Antwort verstanden hat, dann musst du nachfragen.

„Danke für dein Verständnis. Könntest du noch einmal in eigenen Worten wiedergeben, was ich gesagt habe? Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich sichergehen, dass wir beide das Gleiche verstanden haben.“

Nein zu sagen, ist in vielen Situationen nicht einfach.

Allerdings macht Übung auch hier den Meister. Wenn du diese sechs Schritte befolgst, wirst du besser darin, Nein zu sagen. Außerdem wirst du das Vertrauen und die Zusammenarbeit mit deinen Stakeholdern und deinem Team langfristig stärken.

Wenn du nach weiterer Unterstützung beim Neinsagen suchst, dann wirf einen Blick auf das „Professional Scrum Product Owner – Advanced“-Training. Dort helfen Peter und ich dir zwei Tage lang dein Stakeholder-Management zu verbessern. Neben Neinsagen lernst du auch, welche Entscheidungen du delegieren solltest und wie du den Wert von Product-Backlog-Einträgen ermittelst.


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