Braucht es eine Strategie für ein Produkt?
So seltsam es klingen mag: Eigentlich braucht es keine Strategie.
Du kannst mit deinem Produkt einfach in den Markt eintreten und mit den Wettbewerbern konkurrieren.
Hierbei gibt es nur ein Problem:
Ich erkläre es dir an einem Beispiel:
In Regensburg – meiner Heimatstadt – gibt es mindestens zehn verschiedene Restaurants, in denen du einen Burger essen kannst. Darunter auch viele der großen Ketten wie Hans im Glück, Kullman’s Diner oder Burgerheart. Die Frage, wohin wir heute gehen, beantwortet meine Frau ganz pragmatisch: „Wir gehen dahin, weil ich dort einen 2-für-1-Gutschein habe.“
Das hat mich zum Nachdenken gebracht.
Im Wesentlichen bieten alle Läden das gleiche Angebot. Es gibt ausgefallene selbstgemachte Limonaden mit Eiswürfeln und Schirmchen. Dazu einen Burger, wahlweise vegetarisch oder mit Fleisch. Die Beilage sind immer Pommes mit unterschiedlichen Dips. Und wenn wir ehrlich sind: Alle Ketten sehen doch fast identisch aus.
Was uns zum Problem zurückbringt:
Wenn du keine Strategie hast, dann konkurrierst du unweigerlich über den Preis deines Angebots. Nutzt du Rabatte und Gutscheine, dann ist dies wohl eine strategische Entscheidung und die Strategie lautet:
Strategie 1: Gleicher Wert bei günstigeren Preisen
Das Problem an dieser Strategie muss ich dir wahrscheinlich nicht erklären.
Ich nenne es die „Günstiger“-Falle. Da jedes Restaurant ein ähnliches Angebot hat, versuchen sich die Läden mit Rabatten kurzfristig einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Dieser Vorteil währt nur, bis die Konkurrenz ein günstigeres Angebot machen kann.
Diese Abwärtsspirale bezeichne ich als „Günstiger“-Falle.
Wie sieht eine alternative Strategie aus?
Wenn ein Unternehmen einen Konkurrenten nicht im Preis unterbieten will, wie kann es ihn dann übertreffen?
Betrachten wir als Beispiel ein Unternehmen, das Agile Coaching als Beratungsleistung anbietet. Da ich seit vielen Jahren in der Beratung arbeite, kenne ich dieses Modell sehr gut.
Für diese Leistung sind im Wesentlichen vier Aktivitäten nötig:
- Marketing: Darstellung und Werbung für Agile Coaching
- Vertrieb: Verkauf der Agile-Coaching-Leistung an Kunden
- Durchführung: Ein Agile Coach unterstützt ein Team beim Kunden.
- Bereitstellung: Alle Services, die zusätzlich nötig sind, etwa Einstellung, Ausbildung und Weiterbildung von Agile Coaches, Abrechnung der Beratungsleistung
Diese vier Aktivitäten verursachen erst einmal Kosten. Wenn wir diese Kosten aber nicht durch Verbesserung der Effizienz minimieren wollen, welche Möglichkeiten bieten sich dann?
Wie können wir diese Aktivitäten anders durchführen als unsere Mitbewerber? Oder wie können wir andere Aktivitäten durchführen?
- Statt den Vertrieb mit Mitarbeitern zu gestalten, könnten wir eine Self-Service-Plattform anbieten. Die Kunden werden nicht mehr telefonisch vom Vertrieb kontaktiert. Sie werden auch nicht mehr über die Beratungsleistung informiert. Stattdessen können sie den passenden Agile Coach bequem auf der Plattform aussuchen. Sie können ihn dann direkt kontaktieren. Ähnlich wie die Selbstzahler-Kassen in Supermärkten.
- Wir können die „Durchführung“ der Beratung automatisieren. Einen Prototyp hierfür hat Marc Kaufmann vor Kurzem auf LinkedIn vorgestellt. Kunden, die nach einem Scrum Master suchen, könnten auch den „Scrum MaRCster“ einsetzen. Der „Scrum MaRCster“ ist ein Chat-Bot, der Scrum-Teams mit Antworten auf ihre täglichen Fragen unterstützt. Ähnlich wie Chat-Bots, die den Kundenservice unterstützen.
Worauf will ich mit diesen fiktiven Beispielen hinaus?
Ich glaube, es war Michael E. Porter, Professor an der Harvard Business School, der sagte:
„Das Wesen von Strategie besteht darin, sich dafür zu entscheiden, Aktivitäten anders durchzuführen als die Konkurrenten.“
Somit könnte eine Alternative zur „Günstiger“-Strategie lauten:
Strategie 2: Anders sein bei gleichem Preis
Natürlich hat diese Strategie auch Nachteile:
„Anders“ zu sein ist meistens nicht sehr langlebig. Es kann zu radikal anders sein, sodass es keine Kunden anzieht. Im Volksmund heißt es dann: „Dieses Unternehmen war mit ihrer Technologie ihrer Zeit voraus.“ Sollte es jedoch funktionieren, dann werden die Mitbewerber alles daransetzen, diesen technologischen Fortschritt einzuholen.
Welche Möglichkeiten gibt es noch? Betrachten wir dafür zum Abschluss „Scrum Impulse“:
Für wen schreibe ich „Scrum Impulse“?
„Scrum Impulse“ ist für Scrum Master geschrieben.
Nicht für Agile Coaches und nicht für Agilisten im Allgemeinen. Und das, obwohl es bestimmt mehr Agile Coaches als Scrum Master gibt. Und nochmal mehr Agilisten als Agile Coaches. Diese Wahl habe ich mit Bedacht getroffen.
Es ist eine Entscheidung zwischen Reichweite und Engagement.
Schreibe ich für Agilisten im Allgemeinen, werden die Artikel mehr Leser finden. Der Inhalt muss sehr allgemein gehalten werden, um viele Leser anzusprechen. Das wird jedoch zu weniger Reaktionen der Leser führen.
Dies gilt nicht nur fürs Schreiben von Artikeln, sondern für Produkte im Allgemeinen. Dort heißt es: eine Nische oder einen Markt definieren.
Märkte können breit oder tief sein. Hier einige mögliche Kombinationen:
- Breit und oberflächlich: Manche Märkte können sehr breit, aber auch extrem flach sein. Ich denke hier an Lebensmittel und Kleidung, Waren, die du im Supermarkt kaufen kannst.
- Tief und eng: Manche Märkte können sehr eng, aber auch sehr tief sein: etwa Luxusuhren. Dieser Markt ist relativ klein und spricht eine spezifische Zielgruppe an. Die Tiefe dieses Marktes zeigt sich in der Vielzahl der Modelle, Marken und der Handwerkskunst, die in die Herstellung dieser Uhren einfließt.
- Breit und tief, aber gezielt: Einige Märkte können für eine bestimmte Gruppe sehr breit und tief sein: Apple verkauft dir gerne einen Computer, ein Telefon, einen Musikdienst, einen Fernsehdienst und einen Lautsprecher, die nahtlos zusammenarbeiten. Du musst nur den Aufpreis dafür zahlen.
Die Wahl eines Marktes stellt immer eine Entscheidung dar.
Mehr noch:
Die Entscheidung stellt einen Kompromiss dar. Bei beispielsweise „Scrum Impulse“ zwischen Reichweite und Engagement.
Und dieser Kompromiss ist eine strategische Entscheidung. Und sie lautet:
Strategie 3: Entscheidung über die Kunden treffen
Diese Entscheidung schafft die Notwendigkeit einer Auswahl und schränkt das Angebot eines Unternehmens somit gezielt ein. Wie die ersten beiden Entscheidungen hat auch diese Entscheidung Vor- und Nachteile.
Abschließend: Somit bedeutet strategisch zu denken zum einen, eine Wahl zu treffen:
- Soll der gleiche Wert bei günstigeren Preisen angeboten werden?
- Sollen Dinge anders gemacht werden, bei gleichem Preis?
- Sollen Kompromisse in Bezug auf die Kunden getroffen werden?
Und zum anderen erfordert es viel Mut. Wird dieser Mut nicht aufgebracht, trittst du mit einem Produkt einfach in den Markt ein. Du konkurrierst dann orientierungslos mit den Wettbewerbern.
Den Mut aufzubringen, eine Strategie für ein Produkt zu definieren, zeichnet einen erfahrenen Product Owner aus. Ein solides Verständnis über Pricing-Strategien und Business-Modelle hilft, diesen Mut aufzubringen. Möchtest du mehr darüber lernen, dann empfehle ich dir unser „Professional Scrum Product Owner“-Training. Dort widmen Peter und ich uns diesen Themen zwei Tage lang. Wir nutzen viele Hilfsmittel, die es dir erlauben, eine Strategie für dein Produkt zu definieren. Dadurch kannst du dich langfristig vom Wettbewerb abheben.