Skip to main content

Sprint Retrospektive: 3 Schwierigkeiten, bei denen selbst erfahrene Scrum Master aufgeben, und Tipps, damit du nicht dazugehörst

July 13, 2023

Vor ein paar Wochen habe ich dir davon berichtet, wie frustrierend die Arbeit mit Scrum Teams für einen Scrum Master sein kann. Es frustriert, wenn die Retrospektive ohne konkrete Lösung endet, wenn sich das Team nicht einigen kann oder wenn einzelne Teammitglieder kein Interesse an einer konstruktiven Lösung zeigen.

Professional Scrum Facilitation Training Simon Flossmann

Dies sind jedoch nicht die einzigen Schwierigkeiten, denen Scrum Master in Retrospektiven begegnen können. Nach hunderten von durchgeführten Sprint Retrospektiven kann ich noch viele weitere Probleme nennen, auf die ich im Laufe der Jahre gestoßen bin. Da sich diese Probleme mit vielen Herausforderungen decken, über die Teilnehmer im „Professional Scrum Facilitation Skills“-Training berichten, gehe ich davon aus, dass du sie ebenfalls kennst und bereits auf der Suche nach Lösungen bist. Wenn du weiterliest, hoffe ich, dass ich dir bei deiner Suche etwas helfen kann.

Hier sind die drei Schwierigkeiten, die ich heute ansprechen werde:

  • Die Entwickler sprechen zu wenig während der Retrospektive.
  • Die Sprint Retrospektive scheint nach der Hälfte der Zeit stecken zu bleiben.
  • Das Scrum Team findet keinen Konsens.

Los geht es mit der ersten Schwierigkeit:

Schwierigkeit 1: Wie kann ich die Entwickler dazu bringen, in der Retrospektive zu sprechen, wenn sie schweigen?

Wenn du dich in dieser Situation wiederfindest, dann versuche es doch mal mit einem dieser beiden Tipps:

  • Die Stille ertragen: Schweigen ist eine wichtige Fähigkeit, die jeder erfolgreiche Scrum Master meistern muss. Es hat lange gedauert, bis ich keine Angst mehr vor Stille in einem Meeting hatte. Wie ich es schaffe, die Stille zu ertragen? Ich zähle leise für mich: eins, zwei, drei, … Meistens wird die Stille für die restlichen Teammitglieder irgendwann unerträglich und sie melden sich zu Wort.
  • Mehr Neugierde zeigen: Eine Alternative zum Schweigen ist es, Neugierde zu zeigen. Dies bewährt sich immer dann, wenn du den Eindruck hast, dass die Teilnehmer mit anderen Dingen beschäftigt sind, z. B., wenn sie ihr Handy in der Hand haben oder du das Klicken der Tastatur hörst. Da du dir mit deinem Eindruck nie sicher sein kannst, würde ich nicht direkt an die Working Agreements appellieren, sondern erst mal mit dieser Frage beginnen: „Was hält euch davon ab, mitzuarbeiten?“ Oder: „Kann ich euch unterstützen, damit ihr euch auf unseren Termin konzentrieren könnt?“

Wenn keiner dieser Tipps funktioniert, versuche die Interaktion zu verändern.

Es ist so: Sprechen ist EINE Möglichkeit, sich aktiv an der Retrospektive zu beteiligen. Wenn das Sprechen im Moment nicht funktioniert, wähle eine andere Art der Kommunikation. Einige Möglichkeiten sind:

  • Ideen auf Notizen festhalten
  • Notizen clustern oder priorisieren
  • mit den Fingern abstimmen
  • Kommentare im Chat verfassen

Schwierigkeit 2: Nach der Hälfte der Zeit steckt die Retrospektive fest, was kann ich dagegen tun?

In dieser Phase der Retrospektive knirscht es.

Die Diskussion dreht sich im Kreis, die Teilnehmenden sind frustriert und sehnen sich nach schnellen Entscheidungen, während andere noch nach Gehör für ihre Ideen suchen. Da sich diese Phase bei komplexen Themen und Entscheidungen nicht vermeiden lässt, hat sie einen Namen: die Groan Zone.

Im „Professional Scrum Facilitation Skills“-Training lernen die Teilnehmenden einen Tag lang Techniken, um diese Phase nicht nur zu überstehen, sondern sie auch zu nutzen. Denn es ist doch so: Nur in dieser Phase der Retrospektive entsteht Neues. Bis zu diesem Zeitpunkt hat jeder nur typische Lösungsvorschläge und Ideen eingebracht. Aber wirklich Neues und Innovatives entsteht erst, wenn diese Vorschläge und Ideen kombiniert werden! Und darum geht es bei Scrum doch am Ende:

Dinge besser machen, indem wir Bewährtes in neuen Situationen ausprobieren.

Die Schmiede für neue Ideen ist die Groan Zone. Wenn die Ideen nur kurz im Feuer bleiben und mit dem Hammer bearbeitet werden, dann werden bereits bekannte Ideen nur verfestigt. Erst wenn das Team beharrlich auf die Ideen klopft und sie nicht vorschnell aus dem Feuer zieht, kann etwas Neues entstehen. Als Scrum Master unterstützt du dein Team dabei, neue Ideen zu schmieden, indem du ihm hilfst, Informationen zu sammeln, Wahlmöglichkeiten zu schaffen und die Lösung so lange wie nötig in der Schwebe zu halten.

Eine bewährte Facilitation-Technik in der Groan Zone ist es, die Diskussion visuell aufzuzeichnen, damit sich das Team rein auf den Inhalt konzentrieren kann.

Du gehst dabei in drei Schritten vor:

  • Erstelle ein Whiteboard mit vier Quadranten und beschrifte die Quadranten mit „Herausforderungen“, „Lösungen“, „Befürchtungen“ oder „Bedenken“ und „Informationen“.
  • Während der Diskussion schreibst du das Gehörte mit und ordnest es dem jeweiligen Quadranten zu.
  • Pausiere gelegentlich die Diskussion und lade dein Team ein, die Notizen zu lesen und zu überlegen, ob noch Dinge fehlen.

Die Kunst bei dieser Art, eine Diskussion in einer Retrospektive zu begleiten, ist es, den Inhalt ganz dem Team zu überlassen und darauf zu vertrauen, dass die unterschiedlichen Perspektiven, die die Quadranten aufzeigen, die Diskussion lenken werden. Erst wenn keine neuen Herausforderungen, Lösungen, Befürchtungen oder Bedenken und Informationen mehr genannt werden, solltest du mit dem Priorisieren der Lösungsvorschläge beginnen.

Wenn das Team nichts hinzuzufügen hat, dann ist die Groan Zone erfolgreich überstanden.

Schwierigkeit 3: Wenn es im Scrum Team keinen Konsens gibt, wer entscheidet dann über die nächsten Schritte?

Damit eine Entscheidung effektiv ist, muss nicht immer jeder im Team zustimmen.

Hier sind einige Beispiele, wie unterschiedliche Arten von Entscheidungen im Team getroffen werden können:

  • Produktziel: Nachdem der Product Owner das Produktziel mit den Stakeholdern verhandelt hat, informiert er das Scrum Team darüber.
  • Softwarearchitektur-Entscheidungen: Ein Entwickler im Scrum Team ist als Softwarearchitekt im Unternehmen angestellt. Er definiert die Softwarearchitektur-Standards und stellt sicher, dass das Produkt des Teams diesen folgt. Nachdem er sich mit den anderen Entwicklern über die Standards ausgetauscht hat, entscheidet er, wie die Richtlinien im Team umgesetzt werden.
  • Verbesserungsvorschläge für die Sprint Retrospektive: Das Scrum Team bespricht, warum der letzte Sprint problematisch verlief. Jedes Mitglied hat die Möglichkeit, einen Verbesserungsvorschlag zu machen. Am Ende stimmt das Team über die Vorschläge ab und der Vorschlag mit den meisten Stimmen wird im nächsten Sprint weiterverfolgt.
  • Sprint-Ziel: Das Team diskutiert, was nach diesem Sprint für die Nutzer des Produkts anders sein wird. Das Ziel für diesen Sprint wird erst festgelegt und verpflichtend gemacht, wenn jeder mit dieser Zielsetzung leben kann.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass in Scrum Teams nicht jede Entscheidungsfindung gleich abläuft. Was jedoch immer gleich sein muss:

Jeder im Team muss wissen, wie im Team eine Entscheidung getroffen wird.

Dies schafft Transparenz und ermöglicht, die Entscheidungsfindungsprozesse im Team zu überprüfen und anzupassen.

Dazu sollten die Entscheidungsprozesse in den Working Agreements des Teams festgehalten werden. Die Verbesserung dieser ist dann Gegenstand der Retrospektive.

Nutze Working Agreements und die Sprint Retrospektive, um deinem Team dabei zu helfen, konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Mehr über Working Agreements kannst du hier lesen. Wenn du nach einem einfachen Retrospektiven-Format suchst, um die Working Agreements zu verbessern, dann schau dir gerne diesen Webcast an. Dort stelle ich ab Minute 29:00 ein Format vor.

 


What did you think about this post?