Es gibt zwei Arten von Product Ownern.
Die ersten sind Product-Backlog-Administratoren.
Product-Backlog-Administratoren fungieren als Bindeglied zwischen Entwicklern aus der IT-Abteilung und Stakeholdern aus den Fachbereichen. Product-Backlog-Administratoren widmen ihren Tag der Pflege des Product Backlogs:
Am Morgen sind sie zu einem Termin eingeladen, in dem sie die Anforderung der Fachbereiche aufnehmen. Im Nachgang protokollieren sie das Gehörte und spezifizieren Akzeptanzkriterien. Nachdem sie die Anforderung vollständig als User Story im Ticketsystem erfasst haben, stellen sie diese dem Entwicklungsteam vor, damit die Umsetzungsdauer geschätzt werden kann. Am Nachmittag lassen sie sich von den Entwicklern im Daily Stand-up berichten, wie der aktuelle Stand bei der Implementierung der aktuellen User Story ist. In diesem Termin erinnern sie noch einmal alle daran, dass am Ende der Iteration sichergestellt sein muss, dass alle Akzeptanzkriterien erfüllt sind, sonst wird der Fachbereich bei der Demo die Arbeit nicht abnehmen.
Die zweiten sind Unternehmer.
Unternehmer sehen das Produkt als eine Unternehmung, für dessen Ausgang sie die Verantwortung übernehmen. Deshalb widmen sie ihren ganzen Tag dem Wohl des Produktes.
Sie beginnen ihren Tag, indem sie die Nutzungsdaten des A/B-Tests zur neuen Newsfeed-Funktion auswerten, um zu sehen, ob die Testgruppe A nun länger auf der Plattform verweilt als die Gruppe B. Dann führen sie zusammen mit dem UX-Experten und einigen Softwareentwicklern des Teams eine Reihe von Interviews durch. Damit unterstützen sie das Team, welches versucht, herauszufinden, ob eine Umstrukturierung des User Interfaces eine Lösung auf ein ständig wiederkehrendes Problem bei der Anmeldung sein könnte. Falls sich dies bewahrheitet, wäre dies ein wertstiftendes Ziel für den nächsten Sprint. Am Nachmittag treffen sie sich mit dem Vertriebsleiter, um die Marktanalyse abzuschließen. Diese dient als Grundlage im morgigen Sprint Review, um die strategische Ausrichtung in den nächsten 3 Monaten zu besprechen.
Ich glaube, es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, eine Karriere im agilen Produktmanagement anzustreben. Voraussetzung ist, dass du das Produkt als eine Unternehmung siehst, für dessen Ausgang du Verantwortung übernimmst.
Hier sind 5 Dinge, die dir sofort helfen, wie ein unternehmerisch denkender Product Owner zu handeln.
1. Erarbeite eine breite Wissensgrundlagen
Das Produktmanagement findet im Schnittbereich von Technologie, Design und Wirtschaftlichkeit statt.
Da man Produktmanagement nicht studieren kann, ist es nicht verwunderlich, dass Produktmanager unterschiedliche Hintergründe haben. Manche haben Informatik studiert, andere Wirtschaftswissenschaften oder etwas ganz anderes. Wenn du in einem dieser Bereiche ein Defizit hast, solltest du als Erstes daran arbeiten. Belege beispielsweise eine Onlinekurs in Python-Programmierung, Grundlagen des UX-Designs, Rechnungswesen und Marketing. Oder treffe dich mit Experten in diesen Bereichen und löchere sie mit deinen Fragen. Am Ende geht es dabei nicht darum, dass du selbst programmieren kannst, einen klickbaren Prototyp entwirfst oder den Deckungsbeitrag berechnest, sondern dass du technologischen Weitblick hast, beurteilen kannst, warum eine Lösung ein gutes Nutzererlebnis liefert und verstehst, wie ein gewinnorientiertes Unternehmen wirtschaftet.
So wie neue Sprachen dir den Besuch neuer Länder erleichtern, erleichtert eine breite Wissensbasis Product Ownern, alle Bereiche des Produkts zu verstehen.
2. Entwickle eine Produktvision
Was unterscheidet ein Projekt- von einem Produktteam?
Verantwortung.
Produktteams werden nicht aus der Verantwortung gelassen, nur weil etwas auf dem Markt gekommen ist. Die Teammitglieder wenden sich nach dem Go-live nicht anderen Aufgaben zu, wie es bei Projektteams der Fall ist, sondern sie arbeiten unermüdlich weiter, um das bestmögliche Resultat für die Nutzer und die Organisation zu erzielen. Produktteams, die die Verantwortung für ein Produkt übernehmen, sind ein Garant für viele innovative Unternehmen wie Amazon, Facebook und Spotify.
Entwickle eine inspirierende Vision für dein Produkt.
Bei einer Produktvision geht es weniger darum, dass sie niedergeschrieben ist, sondern sie dient dazu, aus Söldnern Missionare zu machen. Diese Einsicht ist auch als Doerrs Gesetz über Produktteams bekannt. Der Unterschied zwischen einem Produktsöldner und Produktmissionar ist, dass Söldner das erledigen, was man ihnen vorschreibt. Missionare glauben an die Vision und sehen es als ihre Mission, alle Probleme zu lösen, die sich ihnen bei der Erreichung der Vision in den Weg stellen.
Das Elevator Pitch Template von Geoffry Moore ist eine beliebte Vorlage, um deine Gedanken über die Vision zu ordnen und soll dir als Hilfe dienen, eine Vision für dein Produkt zu erstellen:
Für die [Zielgruppe], welche [folgendes Problem] hat, ist [Produktname] ein [Produkttyp], welcher [diesen Unique Selling Point] hat, um [folgenden Kundennutzen] zu erzeugen.
Eine starke Produktvision ist die Grundlage, um ein Produktteam aufzubauen und unterscheidet einen Unternehmer von einem Product-Backlog-Administrator.
3. Werbe im Unternehmen für Produktteams
Produktteams sind interdisziplinär.
Neben einer Mission zeichnet ein Produktteam noch aus, dass es autonom handeln kann. Dazu müssen im Team alle Fähigkeiten versammelt sein, die nötig sind, damit die Vision irgendwann Wirklichkeit werden kann. Um das zu erreichen, solltest du in deinem Unternehmen für die Notwendigkeit eines Produktteams werben und alles daransetzten, langfristig ein cross-funktionales Team aufzubauen.
Beginne damit:
- Wirb im Unternehmen für die Vision. Vielleicht möchten sich noch weitere Mitarbeiter eurem Team anschließen
- Hilf Teammitgliedern, neue Fähigkeiten zu erlangen, indem du sie unterstützt, Weiterbildungen zu besuchen oder hilf ihnen, Mentoren zu finden
- Sprich mit Personalverantwortlichen, damit euer Team weitere Verstärkung bekommt
- Vergiss nicht, den Scrum Master zu bitten, dich bei all diesen Dingen aktiv zu unterstützen
Am Ende deiner Bemühungen sollte ein interdisziplinäres Team mit fest zugeordneten Mitgliedern stehen. Ein solches Team agiert und wirkt wie ein Unternehmen innerhalb eines größeren Unternehmens.
4. Führe regelmäßig Kundeninterviews durch
Wird die Produktentwicklung nur auf die Entwicklung von Features reduziert, dann ist nur ein Resultat garantiert: mehr Features.
Die Produktentwicklung beginnt und endet nicht mit der Entwicklung von Features. Sie beginnt mit der Entdeckung der Problemstellung und endet mit der Entdeckung, ob das Feature tatsächlich das Problem gelöst hat.
Entdeckungen machen somit zwei Drittel der Produktentwicklung aus.
Denken Product Owner wie Unternehmer, berücksichtigen sie diese Tatsache und räumen der Entdeckungsarbeit den größten Stellenwert in ihrem Alltag ein. Nutzungsdaten, Webanalysen, Telemetrie Daten, Umfragen, Kundenbewertung im App Store und KPI-Dashboards sind alles Datenquellen, die mehr über die Verwendung deines Produkts in Erfahrung bringen.
Allerdings ist die einfachste und wichtigste Entdeckungsaktivität ein Kundeninterview.
Wenn du erfahren willst,
- welche Personen dein Produkt verwenden,
- was die Probleme dieser Menschen sind,
- wie sie dieses Problem aktuell lösen,
- was Menschen bewegen könnte, dein Produkt zu verwenden,
- wie deine Kunden dein Produkt verwenden, um ihr Problem zu lösen,
- aus welchem Grund die Kunden dein Produkt etwaigen Konkurrenzprodukten vorziehen,
dann sprich mit deinen Nutzern. Und zwar regelmäßig! Am besten täglich.
Product Owner, die nur das Product Backlog verwalten, warten, bis ihnen jemand eine neue Anforderung für ihre Liste nennt. Product Owner, die wie Unternehmer handeln, verlassen täglich ihr Büro und sprechen mit Kunden und suchen nach Problem, die es wert sein könnten, gelöst zu werden.
5. Erarbeite eine Stakeholder-Management-Strategie
Was haben das Schaffen einer breiten Wissensgrundlage, die Erstellung einer Produktvision, die Werbung für ein Produktteam und das Führen von Kundeninterviews gemeinsam?
Es geht darum, mit anderen Menschen effektiv zusammenzuarbeiten. Allgemein nimmt das Management von Stakeholdern einen wichtigen Stellenwert in der Arbeit eines Product Owner ein. Das bedeutet aber nicht, dass sie einfach ist. Allerdings kann sie gelernt werden. Ein hilfreicher Schritt ist, die Zusammenarbeit mit Stakeholdern strategisch zu betrachten und sich im Vorfeld Gedanken zu machen, was bei der Zusammenarbeit erreicht werden soll.
Hier ein Framework, um eine Stakeholder-Management-Strategie zu entwerfen:
- Wer: Mit wem spreche ich? Wie heißt die Person und welche Rolle in Bezug auf das Produkt nimmt sie ein?
- Was: Welche Informationen benötigt diese Person, um ihre Ziele zu erreichen? Welche Fragen hat sie? Welche Information kann sie liefern?
- Wie: Wie können die Informationen bestmöglich ausgetauscht werden (Workshop, Meeting, E-Mail, monatlicher Bericht)?
- Nachricht: Wie wird die Information am besten für diese Person aufbereitet (Bericht, Fakten und Schaubilder, Produkttest, Business Case usw.)?
- Gewünschtes Resultat: Soll die Person im Anschluss zufrieden sein? Soll es mit wenig Aufwand verbunden sein? Soll die Person eng in die Entscheidungsfindung eingebunden sein usw.?
Dass nicht alle Stakeholder die gleichen Interessen vertreten und dass sie deshalb unterschiedlich angesprochen und behandelt werden, verstehen auch Product-Backlog-Administratoren. Die Zusammenarbeit aber strategisch zu betrachten, die Strategie dann konsequent umzusetzen und so lange anzupassen, bis die erhofften Resultate eintreten, zeichnet Product Owner aus, die wie Unternehmer handeln.
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Hoffentlich war dieser Artikel nützlich für Dich. Wie man eine Stakeholder-Management-Strategie erstellt, ist eines der vielen interessanten Themen, die in meinen Professional Scrum Trainings behandelt werden.
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