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Ein einfacher Workshop zum Nachmachen: Ergründe 6 Prinzipien, wie Menschen besser lernen

August 15, 2024

Vor einigen Wochen war ich auf der Agile Lean Munich.

Auf diesem Open Space habe ich eine Session darüber gehalten, wie Menschen besser lernen. Ich habe die Session als 45-minütigen interaktiven Workshop gestaltet. Mehrere Teilnehmer haben mich im Nachgang angesprochen. Sie wollten wissen, wie sie den Workshop auch in ihrem Unternehmen oder Team durchführen können. Daher dachte ich mir, ich teile die Schritte in einem Artikel.

Die ursprüngliche Idee für den Workshop stammt von Sharon Bowman, der Autorin des Buches „Using Brain Science To Make Training Stick“. Ich habe ihre Idee mit einigen Techniken meines „Training from the Back of the Room“-Trainings angereichert.

Bevor ich dir alle Schritte des Workshops im Detail vorstelle, möchte ich noch das Lernziel erläutern. Dieses Lernziel habe ich mit dem Workshop verfolgt: Die Teilnehmer sollten sechs Prinzipien für gehirngerechtes Lernen erleben.

Nun zu den Schritten im Detail:

Vorbereitung und Materialien:

  • Tische und Stühle als Gruppentische aufstellen
  • Bayerische Spielkarten
  • Flipcharts mit den sechs Prinzipien für gehirngerechtes Lernen
  • Postkarten zum Ausfüllen

Einführung und Einladung an die Teilnehmer

In den meisten Kartenspielen gibt es eine Karte, die alle anderen schlägt: den Trumpf. Bei Schafkopf ist es etwa Herz, Ober und Unter.

In diesem Workshop dient der Trumpf als Metapher dafür, dass es eine Art zu lernen gibt, die alle anderen sticht. Diese Art basiert auf kognitiver Neurowissenschaft. Lernmethoden, die sich kognitiver Neurowissenschaft bedienen, übertrumpfen herkömmliche Methoden. Während des Workshops werden wir gemeinsam sechs Prinzipien erkunden, die helfen, besser zu lernen.

Los geht’s:

Aktivität 1: „Stehende Umfragen“

Die erste Aktivität dient dazu, dass die Teilnehmer erkunden, was sie bereits über Lernen wissen.

Die Schritte hierzu:

  • Händige jeweils ein Set von Spielkarten an eine Person pro Tisch aus.
  • Bitte den Kartengeber, jeder Person am Tisch eine Karte zu geben.
  • Bitte nun alle Teilnehmer, aufzustehen und sich jemanden mit einer ähnlichen Karte von den anderen Tischen zu suchen, sodass Gruppen von 2 bis 3 Personen entstehen.
  • Kurze Erklärung, was gerade wirklich passiert ist: „Mit dieser ersten Aktivität habt ihr eure Fähigkeit, zu lernen, bereits um 15 bis 20 % gesteigert. Warum? Weil ihr aufgestanden seid und euch bewegt habt. Bewegung verbessert die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn und Sauerstoff brauchen wir zum Denken und Lernen. Obwohl diese Tatsache jedem bekannt ist, verbringen wir in Schulungen, Trainings und Workshops die meiste Zeit im Sitzen.“
  • Sprich danach folgende Einladung an die kleinen Gruppen aus:

„Teilt eine Tatsache, die ihr bereits über Lernen wisst, mit eurer Gruppe.“

Nachdem sich die kleinen Gruppen etwa 3 bis 4 Minuten ausgetauscht haben, folgt die nächste Aktivität:

Aktivität 2: „Schlag die Uhr“

Zuerst wird den Teilnehmern erklärt, dass wir nun ein kurzes Spiel machen. Es heißt „Schlag die Uhr“ und geht wie folgt:

„In beliebiger Reihenfolge teilt ihr nacheinander eine Tatsache über das Lernen, die ihr in eurer kleinen Gruppe besprochen habt. Wenn ihr alle zusammen in weniger als einer Minute mindestens 15 Tatsachen finden konntet, habt ihr gewonnen. Zur Belohnung bekommt ihr eine Runde High Fives.“

Nach der „Schlag die Uhr“-Aktivität wird mit folgendem Hinweis die nächste Aktivität eingeleitet:

„Zusätzlich zu dem, was ihr bereits über das Lernen wisst, möchte ich noch sechs weitere Prinzipien mit euch teilen.“

Aktivität 3: Daten-Jagd

Die Daten-Jagd erfolgt in drei Schritten:

  • Hänge die Plakate im Raum auf. Jedes der Plakate enthält eines der Prinzipien. Für die Prinzipien siehe Aktivität 4. Am besten diesen Schritt schon im Vorfeld durchführen.
  • Gib jedem Teilnehmer eine Postkarte und einen Stift.
  • Lade die Teilnehmer ein, die fehlenden Informationen auf der Postkarte auszufüllen. Das ist die Jagd. Bitte die Teilnehmer, sich, wenn sie alle Prinzipien gefunden haben, auf ihre Plätze zu setzen.

 

Aktivität 4: Pair-Share

Nachdem alle Teilnehmer sitzen, gilt es, einen weit verbreiteten Mythos zu entkräften. Wir lernen nicht am besten, wenn wir Dinge fünf Mal lesen, sondern aus der aktuellen Gehirnforschung wissen wir: Erfahren wir eine Information fünf Mal, auf fünf  unterschiedliche Arten, dann werden wir uns an die Information wahrscheinlich viel länger erinnern.

Erkläre den Teilnehmern, dass sie durch die Daten-Jagd die Information auf drei Arten erhalten haben:

  1. Sie haben die Information gejagt.
  2. Sie haben die Information gelesen.
  3. Sie haben die Information aufgeschrieben.

Nun fügen wir noch zwei weitere Arten hinzu:

Dazu werden wir zuerst die sechs Prinzipien gemeinsam laut lesen. Lies nun eine richtig ausgefüllte Postkarte laut vor und bitte die Teilnehmer, Prinzip für Prinzip laut zu wiederholen.

Im Anschluss an diese Aktivität erinnerst du die Teilnehmer daran, dass es nicht nur darum geht, die Information häufig zu wiederholen. Es ist auch wichtig, die Information auf unterschiedliche Art und Weise zu wiederholen. Dabei sollten möglichst viele Sinne angesprochen werden: also Bewegung, Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen.

Wenn wir die Liste durchgehen, dann fehlen noch „Hören“ und „Sprechen“. Beginnen wir mit dem Hören:

Aktivität 5: Unterrichten der sechs Prinzipien

Jetzt wiederholst du noch einmal jedes der Prinzipien und gibst ein paar Hintergrundinformationen.

Hier meine Erklärung der sechs Prinzipien:

  • „Movement trumps sitting“: Langes Sitzen macht uns müde. Das Überleben der Menschheit haben wir bisher durch Bewegung gesichert: Laufen, Jagen, Fliehen und uns an neue Umstände anpassen. Bewegung verbessert also unsere Denk- und Merkfähigkeit. Deshalb sollten wir auch Bewegung im Training fördern.
  • „Talking trumps listening“: Menschen sind eine soziale Spezies. Wir sind Meister in der Zusammenarbeit. Diese entsteht mehr durch Reden und weniger durch passives Zuhören. Ferner festigt Sprechen soziale Bindungen, ermöglicht Feedback und Meta-Lernen, also das Lernen über das Lernen.
  • „Image trumps words“: Was geht in deinem Gehirn vor, wenn du die Worte „Mickey Mouse“, „Ozeanwelle“, „erste Liebe“ hörst? Hast du das geschriebene Wort oder ein Bild vor Augen? Die Kapazität unseres Gehirns, Bilder zu speichern, ist fast unbegrenzt. Ferner rufen Bilder Emotionen hervor. Emotionen helfen uns, Informationen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis zu überführen.
  • „Writing trumps reading“: Wie merkst du dir die Sachen, die du im Supermarkt kaufen sollst? Du schreibst sie auf. Schreiben erfordert Aufmerksamkeit. Es ist fast unmöglich, während des Schreibens etwas anderes zu machen. Ferner aktiviert Schreiben andere Regionen im Gehirn als Zuhören.
  • „Shorter trumps longer“: Um wirklich zu lernen, brauchen wir Pausen. Und zwar häufiger, als wir denken. Dann und nur dann kann die Information vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis überführt werden. Darüber hinaus helfen Pausen, involviert und aktiv zu bleiben.
  • „Different trumps same“: Die Aufgabe unseres Gehirns ist es, Energie einzusparen. Wir müssen es überlisten, sich nicht abzuschalten. Historisch gesehen geschieht das am besten, wenn es Änderungen im Umfeld gibt. Es könnte ja Gefahr drohen. Unser Gehirn reagiert auf Neues, Ungewohntes, Sinnhaftigkeit und Emotionen. Können wir uns als Trainer diesen Umstand zunutze machen, halten wir den Schlüssel für langfristiges Lernen in unseren Händen.

Die Erklärung der Prinzipien sollte nicht länger als zehn Minuten dauern. Denke daran: „Shorter trumps longer.“

Mehr zu den Prinzipien kannst du hier nachlesen.

Jetzt gilt es, die Teilnehmer das Gelernte reflektieren zu lassen, und zwar, indem sie darüber sprechen. Dann haben wir alle sechs Sinne angesprochen.

Aktivität 6: Sprechende Spielkarten

Hier die Schritte dieser Aktivität im Detail:

  • Jeder Teilnehmer bekommt eine weitere Spielkarte.
  • Bitte die Teilnehmer, Gruppen von drei bis vier Personen zu bilden.
  • Lade die Gruppen ein: Führt in eurer Gruppe ein Brainstorming von Ideen durch. Überlegt, wie ihr die Prinzipien in euren Trainings, Workshops und Meetings umsetzen könnt. Es gibt eine kleine Einschränkung: Jeder, der eine Idee ausgesprochen hat, muss eine Karte hinlegen. Wenn du keine Karte mehr hast, darfst du erst wieder sprechen, wenn niemand in der Gruppe mehr eine Karte hat. Gib den Gruppen etwa 3 – 5 Minuten für das Brainstorming und bitte sie im Anschluss:
  • „Schreibt nun auf die Rückseite eurer Postkarte eine bis drei Ideen des Brainstormings, die ihr besonders hilfreich fandet.“

Du hast den Teilnehmern die sechs Prinzipien für gehirngerechtes Lernen auf sechs Arten vorgestellt. Jetzt gilt es, den Lernerfolg zu überprüfen. Dies ist die letzte Aktivität des Workshops:

Aktivität 7: Zeit für einen Test

Die Schritte für diese Aktivität:

  • Fordere die Teilnehmer auf, Paare zu bilden.
  • Die erste Person versteckt ihre Postkarte hinter dem Rücken. Nun zählt sie die sechs Prinzipien für gehirngerechtes Lernen auf, ohne dabei auf die Postkarte zu schauen. Der Partner kann korrigieren oder unterstützen, falls nötig.
  • Partnerwechsel. Nun zählt die andere Person der Gruppe die Prinzipien auf und ihr Partner korrigiert.
  • Wenn ihr fertig seid, verabschiedet euch mit einem High-Five!

Hiermit ist der Workshop zu Ende.

Aus Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, Workshops, Trainings, Schulungen oder Sprint-Retrospektiven zu gestalten. Es erfordert viel Mühe, das Lernen der Teilnehmer wirklich in den Mittelpunkt zu stellen. Dieser Workshop wird dir helfen, diese Veränderung auch in deinem Unternehmen anzustoßen. Versuche es!

Wenn du dabei weitere Hilfe benötigst, schreib mir gerne eine private Nachricht.


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