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Das große Product-Owner-Dilemma lösen: Wie eine einzige Person der Verantwortung gerecht wird und alle Arbeit bewältigt

November 21, 2024

je mehr Verantwortung ein Product-Owner für das Produkt übernimmt, desto mehr Arbeit kommt auf ihn zu. Ein echtes Dilemma für jeden Product-Owner.

Deshalb lautet die gängige Meinung, dass eine einzige Person für das Produktmanagement nicht ausreicht.

Es gibt jedoch einen anderen Weg, bei dem du als Product-Owner viel Verantwortung tragen kannst, ohne in Arbeit zu ertrinken.

Diese Alternative möchte ich dir jetzt vorstellen.

Beginnen wir damit, dass wir uns die steigende Verantwortung eines Product-Owners ansehen:

Ein Reifegrad-Modell für Product-Owner

Ich nutze hierfür ein Modell, das auf Gunther Verheyen und Ron Eringa zurückgeht. Über die letzten Jahre hat Scrum.org dieses Modell mit den Erfahrungen von Unternehmen aus der ganzen Welt angereichert. Da sich das Modell auch mit meiner Erfahrung aus 10 Jahren in Scrum Teams deckt, geben wir es auch Führungskräften im „Professional Agile Leadership“-Training weiter. Dort dient es als Werkzeug, mit dem sich Product-Owner kontinuierlich weiterentwickeln können.

Es besteht aus fünf Stufen. Beginnen wir mit dem niedrigsten Reifegrad:

Stufe 1: Der Analyst

Ein Product-Owner auf dieser Stufe verfügt über gute analytische und grundlegende Produktkenntnisse. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der Erstellung von Product-Backlog-Einträgen. Die Wünsche der Stakeholder sollen in konkrete Arbeitsaufgaben für das Scrum Team umgesetzt werden. Somit führt er die Pläne und Produktentscheidungen der Stakeholder aus.

Stufe 2: Der Proxy-Product-Owner

Ein Product-Owner auf dieser Stufe hat mehr Verantwortung über das Product-Backlog. In seiner Arbeit konzentriert er sich auf die Erstellung von Sprint-Zielen und das Entdecken von Produktverbesserungen. Er versteht, welche Ziele die Nutzer seines Produkts erreichen wollen. Damit hat er direkten Einfluss auf die Pläne und produktbezogenen Entscheidungen der Stakeholder. Er vereint die Stakeholder in der Zusammenarbeit am Product-Backlog und übernimmt Verantwortung für die Ergebnisse des Sprints.

Stufe 3: Der Vertreter des Fachbereichs

Ein Product-Owner dieser Stufe konzentriert sich weniger auf das Management des Product-Backlogs, sondern hat den Überblick über alle Schritte im Wertschöpfungsprozess. Er vereint die Bedürfnisse der Nutzer, Kunden und Stakeholder im Product-Backlog. Sein Fokus liegt auf der Wertschöpfung und dem Fortschritt hinsichtlich der Ziele des Produkts. Bei der Umsetzung von Plänen und produktbezogenen Entscheidungen arbeitet er auf Augenhöhe mit den Stakeholdern zusammen. Er inspiriert das Scrum Team, mit allen Stakeholdern in der Wertschöpfungskette zusammenzuarbeiten und kontinuierlich Ergebnisse zu liefern.

Stufe 4: Der Entscheider

Ein Product-Owner auf dieser Stufe hat tiefe Kenntnisse von der Wertschöpfungskette des Produkts, der Branchen und den Kunden. Sein Fokus liegt auf kontinuierlicher Wertschöpfung und Zusammenarbeit für Nutzer, Kunden und Stakeholder. Er hat das Mandat, produktbezogene Entscheidungen zu treffen. Außerdem verfolgt er die Strategien für das Produkt eigenständig. Damit übernimmt er die Verantwortung für die Zufriedenheit der Kunden. Er kann die Maximierung von Wert mit mehreren Scrum Teams, Produkten und Stakeholdern leiten.

Stufe 5: Der Unternehmer

Ein Product-Owner auf dieser Stufe hat tiefes Wissen über ein weites Produktportfolio. Er fokussiert sich auf kontinuierliche Wertoptimierung für das Unternehmen. Er ist verantwortlich für die strategische Ausrichtung des Unternehmens, die Planung von Budgets, Gewinnen und Verlusten in der Wertschöpfungskette der Produkte. Damit übernimmt er Mitverantwortung für den Erfolg des Unternehmens. Er ist in der Lage, komplexe Wertschöpfungsketten mit mehreren Teams, Bereichen, Abteilungen und Stakeholdern zu führen.

Wie du sehen kannst, steigt die Verantwortung in jeder Stufe.

Es beginnt mit der reinen Erhebung von Anforderungen. Danach folgt das Management des Product-Backlogs. Schließlich geht es weiter bis hin zum Management eines Produkts. Zum Schluss übernimmt der Product-Owner vielleicht sogar die Verantwortung für ein Portfolio von Produkten.

Steigt die Verantwortung, dann steigt auch die Anzahl der Aufgaben, die es zu erledigen gilt.

Nutzt du als Product-Owner auf der Stufe eines Vertreters des Fachbereichs die gleiche Arbeitsweise wie ein Analyst? Diese Arbeitsweise hat dich als Analyst-Product-Owner erfolgreich gemacht. Jetzt wird das nicht mehr funktionieren. Es kommen einfach zu viele weitere Dinge hinzu. Du wirst mehr Zeit in Meetings mit Stakeholdern aus anderen Bereichen verbringen. Du wirst mehr Zeit beim Kunden vor Ort verbringen. Außerdem wirst du mehr Zeit brauchen, um langfristige Entscheidungen für das Produkt zu treffen.

Der Ausweg?

Je mehr Verantwortung du als Product-Owner hast, desto mehr Arbeiten musst du delegieren

Du musst lernen, zu delegieren.

Je mehr Verantwortung du hast, desto mehr Arbeiten musst du delegieren, damit du Zeit für die weitreichenden Entscheidungen hast. Das ist leichter gesagt als getan. Welche Arbeit und welche Entscheidungen solltest du delegieren, welche solltest du selbst treffen und welche kannst du auf keinen Fall delegieren?

Diese Frage kannst du dir anhand dieser Matrix beantworten.

Sie vereint die Ideen von Jeff Bezos mit der Zwei-Typ-Entscheidungstheorie und der Arbeit von Geoff Watts zur Delegation von Produktentscheidungen. Sie sieht so aus:

Die Matrix bildet Folgendes ab:

Vertikale Achse: Risiko der Entscheidung

Wie viel Risiko birgt die Entscheidung?

Das Risiko reicht hierbei von umkehrbar bis unumkehrbar:

  • Umkehrbares Risiko: Diese Entscheidungen sind einfach rückgängig zu machen.
  • Unumkehrbares Risiko: Diese Entscheidungen sind nicht mehr rückgängig zu machen. Einmal getroffen, musst du mit den Konsequenzen langfristig leben.

Horizontale Achse: Grad der benötigten Unterstützung

Wieviel Zustimmung und Unterstützung von den Beteiligten oder Betroffenen ist erforderlich, um die Entscheidung erfolgreich umzusetzen?

Hierbei reicht der Grad der benötigten Unterstützung von wenig bis viel:

  • Es ist weder Unterstützung noch Zustimmung oder Akzeptanz der Betroffenen notwendig.
  • Die Mitarbeit und das Engagement vieler Personen werden benötigt und es braucht viel Akzeptanz und Zustimmung der Betroffenen.

Unterteilen wir die beiden Achsen jeweils in zwei Hälften, ergeben sich vier Quadranten, die wir zur Bewertung von Entscheidungen nutzen können.

Die Quadranten mit Handlungsempfehlungen und einem Beispiel:

  • Erst beraten und dann entscheiden: die Reihenfolge des Product-Backlogs
  • Zusammenarbeiten: die Definition eines Sprint-Ziels im Sprint-Planning
  • Einfach die Entscheidung treffen: Stakeholder zum Sprint-Review einladen
  • Delegieren: die Erarbeitung und Beschreibung von Einträgen des Product-Backlogs

So kannst du die Matrix für deine Arbeit als Product-Owner nutzen:

  • Schritt 1: Erstelle dir eine Liste mit allen Arbeiten und Entscheidungen, die du tagtäglich erledigen oder treffen musst.
  • Schritt 2: Ordne jedes Element der Liste in die Matrix ein.
  • Schritt 3: Delegiere die Arbeit aus den unteren beiden Quadranten.

Die Herausforderung: Wie delegierst du, ohne dich unwohl zu fühlen?

Wenn du das erste Mal delegierst, wird es sich nicht gut anfühlen.

Wenn es dir wie mir geht, dann entstehen schnell Zweifel: „Wissen die Entwickler, was sie machen sollen? Was ist, wenn das Resultat nicht den Erwartungen der Stakeholder entspricht? Dann muss ich mich rechtfertigen, ohne wirklich involviert gewesen zu sein.“

Ich denke, das ist erstmal ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass es dir wichtig ist und dir die Arbeit am Herzen liegt. Gleichzeitig hält es dich als Product-Owner in deiner Entwicklung zurück.

Mein Tipp: Sieh Delegieren als Fähigkeit. Es ist die Fähigkeit, die du erlernen musst, wenn du weiterkommen willst. Die Betonung liegt auf „erlernen“. Erlernen bedeutet, es Schritt für Schritt zu tun. Und immer nur so viel, dass du dich gerade noch so wohlfühlst. Je häufiger du es dann machst, desto sicherer wirst du und desto mehr delegierst du.

Hier ein Werkzeug, wie du Delegieren erlernen kannst. Es stammt von Jürgen Appelo aus seinem Buch „Management 3.0“.

Die 7 Delegationslevel am Beispiel der Erstellung von Product-Backlog-Einträgen:

  1. Sagen: Als Product-Owner schreibst du die User-Stories selbst und teilst den Entwicklern lediglich mit, was sie tun sollen. „Hier sind die detaillierten User-Stories, die ich erstellt habe. Arbeitet daran.“
  2. Verkaufen: Als Product-Owner erstellst du die User-Stories und erklärst den Entwicklern die Gründe für die Anforderungen und die Details: „Ich habe diese User-Stories geschrieben, weil ...“
  3. Beraten: Als Product-Owner holst du das Feedback der Entwickler zu den User-Stories ein, triffst aber letztendlich selbst die Entscheidung über die Details: „Ich habe diese User-Stories jetzt mal aufgeschrieben, aber ich möchte euer Feedback dazu hören, bevor ich die endgültigen Details festlege.“
  4. Zustimmen: Als Product-Owner arbeitest du mit den Entwicklern gemeinsam an der Beschreibung und Detaillierung der User-Stories und ihr kommt zu einer gemeinsamen Entscheidung: „Lasst uns gemeinsam die User-Stories durchgehen und die Details festlegen, damit wir alle damit einverstanden sind.“
  5. Beraten lassen: Die Entwickler erstellen die User-Stories, nachdem sie deine Meinung eingeholt haben. Als Product-Owner gibst du noch Ratschläge, hast aber kein Vetorecht: „Ihr könnt die User-Stories schreiben, aber lasst mich euch meine Sichtweise und Ratschläge dazu geben.“
  6. Erkundigen: Die Entwickler erstellen die User-Stories und du fragst nach, um dich über den Fortschritt oder die Details zu informieren: „Schreibt die User-Stories und informiert mich danach über die Details und darüber, wie ihr zu diesen gekommen seid.“
  7. Delegieren: Die Entwickler übernehmen die volle Verantwortung für die Beschreibung und Detaillierung der User-Stories. Du bist als Product-Owner nicht mehr involviert: „Ihr habt die volle Verantwortung, die User-Stories zu erstellen. Ich vertraue darauf, dass ihr die besten Entscheidungen trefft.“

Wie du sehen kannst, ist Delegieren nicht binär, sondern hat Abstufungen. Nutze sie, um schrittweise Arbeiten zu delegieren. Dadurch gewöhnst du dich langsam daran und kannst Vertrauen gewinnen. Irgendwann gelangst du zu dem Punkt, an dem du Arbeit vollumfänglich delegierst. Dadurch schaffst du dir Freiraum und Zeit, neue Verantwortungen als Product-Owner anzunehmen.

Somit stellt Delegieren die Grundlage für deine Weiterentwicklung als Product-Owner dar. Übe es.


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