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7 Tipps, wie du die Sprint-Retrospektiven moderierst – ohne Zeit deines Teams zu verschwenden und das Vertrauen des Managements zu verlieren

February 17, 2025

Warum funktionieren viele Retrospektiven nicht?

Es mag daran liegen, dass im Unternehmen keine Fehlerkultur herrscht. Das Unternehmen steht möglicherweise noch am Anfang seiner Agilität. Vielleicht verstehen die Manager einfach den Wert von Retrospektiven nicht.

Aber in Wahrheit liegt der Vertrauensverlust in die Retrospektive einfach daran, dass sie unproduktiv moderiert wird. Wenn Sprint-Retrospektiven übermäßig lange dauern, nicht jeder einbezogen wird und es keine konkreten Verbesserungen gibt, dann fällt es nicht nur den Entwicklern schwer, den Wert darin zu sehen, sondern auch den Führungskräften.

Am Anfang meiner Karriere habe ich diese Wahrheit nicht erkannt.

Wenn etwas nicht funktionierte, war ich der Erste, der den Grund in den Umständen oder bei anderen gefunden hat. Aber nach 10 Jahren mit Scrum und Retrospektiven sehe ich das mittlerweile anders. Wenn heute eine Retrospektive nicht funktioniert, dann sehe ich es zunächst als ein Problem meiner Fähigkeiten. Welche Zeichen habe ich übersehen oder konnte ich nicht deuten? Was hätte ich anders machen können, damit das Team zu einem Ergebnis gekommen wäre? Welche Methode hätte mir hier geholfen?

Damit du nicht meine Fehler wiederholen musst, sondern aus meinen Fehlern lernen kannst, findest du hier 7 Tipps, wie du die Moderation der Retrospektive verbessern kannst:

Tipp #1: Stelle psychologische Sicherheit her

Psychologische Sicherheit ist in aller Munde.

Aber wie stellst du sie konkret her? Um diese Frage zu beantworten, musst du verstehen, was passiert, wenn wir uns unsicher fühlen. Unser Gehirn setzt unseren Körper in Alarmbereitschaft. Es schüttet Stresshormone aus. Würde uns wirklich Gefahr drohen, wäre dies bitter nötig. In einer Retrospektive hindern sie uns daran, uns ehrlich auf Neues einzulassen.

Sorge deshalb zu Beginn der Retrospektive für zwei Dinge:

  1. Bewegung, Bewegung und nochmals Bewegung. Warum? Ganz einfach: Bewegung sorgt dafür, dass Stresshormone – sollten sie entstanden sein – abgebaut werden.
  2. Knüpfe an Bekanntes und Erfolge an: Stress entsteht, wenn wir über Negatives nachdenken. Stress entsteht auch, wenn wir Fragen beantworten müssen, worauf wir keine Antwort haben. Wir befürchten dann, etwas Falsches zu sagen und uns zu blamieren.

Wie kannst du diese Tipps konkret umsetzen? Beginne die Sprint-Retrospektive damit, die Mitglieder des Teams aufstehen und zu einer anderen Person im Raum gehen zu lassen. Gemeinsam sollen sie 10 Erfolge dieses Sprints sammeln.

Wie geht es nach dem Start weiter?

Tipp #2: Nutze ein einfaches Format

Eine gute Retrospektive ist einfach und bleibt in Erinnerung.

Ich nutze dafür am liebsten eine Metapher, die die Teilnehmer durch die Stunde führt, und kein kompliziertes Format. Das Ziel ist nicht der Prozess, sondern das Ergebnis. Ein Segelboot, das eine unbewohnte Insel erreichen will und dabei Klippen umschiffen muss, ist eine schöne Metapher.

Hier die Elemente der Retrospektive im Überblick:

  • Die Insel symbolisiert das Ziel, worauf ihr hinarbeitet.
  • Der Wind treibt das Boot an. Hier geht es um die Faktoren, Ergebnisse und Stärken, die das Team dabei unterstützen, das Ziel zu erreichen.
  • Der Anker bremst das Boot zurück. Er symbolisiert Hindernisse, Probleme und Herausforderungen, die euren Fortschritt verlangsamen.
  • Das Riff steht für potenzielle Gefahren und Risiken. Es könnte das Schiff beschädigen und somit das Erreichen des Ziels gefährden.

Dieses Format ist einfach und eingängig, sodass du dich beim Facilitieren ganz auf das Team konzentrieren kannst und nicht auf den „richtigen“ Prozess. Und darum sollte es am Ende doch gehen, oder?

Leitet die Metapher die Mitglieder des Teams durch die Retrospektive, dann kannst du diesen Tipp beherzigen:

Tipp #3: Beziehe jeden im Team ein

Warum ist es bitter nötig, jeden einzubeziehen?

Die Antwort ist ganz einfach: Je mehr jedes Mitglied im Team an der Lösung eines Problems beteiligt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Lösung auch umgesetzt wird. Wir nennen dies Commitment.

Eltern wissen, wie entscheidend dieses Commitment ist. Natürlich können sie beschließen, dass es eine gute Idee ist, das Kinderzimmer aufzuräumen. Wahrscheinlich bringen sie ihre Kinder auch dazu, „Ja“ zu sagen. Ob das Zimmer wirklich aufgeräumt wird, ist trotzdem fraglich. Das Commitment zu dieser Entscheidung ist eher schwach. Eine Verbesserung in der Retrospektive wird sich dann als nutzlos herausstellen, wenn das Commitment dazu fehlt. Der erste Schritt für ein höheres Commitment besteht darin, jeden bei der Suche nach einer Verbesserung einzubeziehen.

Du erreichst dies, indem du jeden im Team zu Wort kommen lässt, oder Facilitation-Methoden wie 1-2-4-All nutzt.

Tipp #4: Halte die Erkenntnisse fest

Wissensarbeit hat ein großes Problem:

Fortschritt ist nur schwer sichtbar. Das gilt besonders für Sprint-Retrospektiven. Das Team kann eine ganze Stunde engagiert diskutieren, aber trotzdem keinen Fortschritt erzielen. Damit dem Team frühzeitig bewusst wird, ob die Diskussion voranschreitet oder sich im Kreis dreht, sollten Erkenntnisse, Schritte oder Zwischenergebnisse festgehalten werden.

Hierfür gibt es unterschiedliche Formate:

  • Vor der Diskussion kann jeder seine Ideen auf Notizen schreiben,
  • die Diskussion wird als Mind-Map visualisiert,
  • oder das Team hält von Zeit zu Zeit inne und reflektiert, wo es steht.

Egal, wie du vorgehst, – die Visualisierung des Gesprächs hilft dem Team zu erkennen, ob es sich im Kreis dreht oder Fortschritte erzielt.

Im nächsten Tipp will ich das noch weiter aufgreifen:

Tipp #5: Achte auf Konflikte

Die Diskussion dreht sich im Kreis. Wer kennt das nicht?

Unerfahrene Scrum Master glauben, dass sich dies verhindern lässt. Aber Fakt ist: Bei komplexen Entscheidungen lässt sich dies nicht verhindern. Es wird zu Konflikten kommen. Wenn unterschiedliche Sichtweisen aufeinandertreffen, sind Konflikte vorprogrammiert.

Die Aufgabe des Scrum Masters in der Retrospektive ist also nicht, diesen Konflikt zu verhindern, sondern dem Team zu helfen, diese Situation zu durchschreiten. Denn so unangenehm Konflikte für das Team sind, sie bergen auch immer Potenzial für eine neue Lösung. Für Innovation.

Das Modell der „Groan Zone“ von Sam Kaner veranschaulicht dies sehr schön. Damit das Team von einem komplexen Problem zu einer Entscheidung gelangt, die jeder im Team mitträgt, muss es die Groan Zone durchschreiten. Einen Abschnitt in der Retrospektive, in dem manche im Team noch nach weiteren Ideen suchen, während andere bereits mit den vorhandenen Ideen zufrieden sind und endlich abstimmen wollen.

Hilf beiden Parteien durch diese Phase in der Retrospektive, in der es „knirscht“, indem du jeden zu Wort kommen lässt und erst weitermachst, wenn alles gesagt wurde.

Was uns sofort zum nächsten Tipp bringt:

Tipp #6: Sorge für schnellen Austausch

„Jeden zu Wort kommen lassen“ führt schnell dazu, dass Retrospektiven ungeahnt lange dauern.

Das Resultat: Entwickler empfinden die Retrospektive schnell als Zeitverschwendung und Manager als Zeitfresser. Deshalb solltest du Diskussionen mit dem Einsatz von Facilitation-Methoden abkürzen oder zumindest vereinfachen. Ich meine jetzt nicht, dass du Teilnehmern den Mund verbietest, sondern die Diskussion verkürzt.

Hier drei Beispiele:

  • Wechsel vom Sprechen ins Schreiben. Lass die Entwickler ihre Gedanken auf Notizen schreiben und dann die Notizen der anderen lesen, ohne zu sprechen.
  • Nutze Dot-Voting, um Lösungen zu priorisieren, ohne darüber zu diskutieren.
  • Du kannst Roman-Voting nutzen, um ohne Diskussion über eine Lösung abzustimmen.

Facilitation-Methoden dienen nie dem Selbstzweck, sondern sie helfen dir:

  • Transparenz zu schaffen,
  • jedem eine Stimme zu geben,
  • Diskussionen zu vereinfachen.

Tipp #7: Halte die Verbesserung fest

Der Scrum Guide empfiehlt:

„Die wirkungsvollsten Verbesserungen werden so schnell wie möglich in Angriff genommen. Sie können sogar in das Sprint-Backlog für den nächsten Sprint aufgenommen werden.“

Mein letzter Tipp für heute:

Halte dich nicht an die Empfehlung, sondern mache daraus eine Regel. Halte alle Verbesserungen für den nächsten Sprint im Sprint-Backlog fest.

Über die Jahre hat mir das mein Leben als Scrum Master sehr einfach gemacht. Denn:

  • Im Sprint-Planning wurden dadurch die Verbesserungen auch eingeplant.
  • Im Daily Scrum wurde der Fortschritt besprochen.
  • Mit der Arbeit an den Verbesserungen konnte ich auch im Sprint mitarbeiten.
  • Am Ende des Sprints wurden nicht nur viele Produkt-Backlog-Einträge fertiggestellt, sondern auch immer einige Verbesserungen.

 

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