Über die Jahre konnte ich viele Karrieren von Scrum Mastern mitverfolgen.
Einige von ihnen haben Gruppen von Menschen, die nebeneinander und aneinander vorbeiarbeiteten, in Teams verwandelt, welche gemeinsam tagtäglich echte Kundenprobleme lösten. Andere haben mitgeholfen, Unternehmen mit Scrum zu transformieren, sodass sich die Lieferzeiten drastisch reduziert haben. Und manche haben sich zu Führungskräften weiterentwickelt und übernehmen seither nicht nur Verantwortung für einzelne Teams, sondern für ganze Abteilungen.
Einige dieser Scrum Master kenne ich noch aus meiner Anfangszeit als Scrum Master. Mit manchen habe ich jahrelang zusammengearbeitet. Und andere habe ich selbst in meinen Schulungen ausgebildet. Das gab mir eine gute Gelegenheit, zu analysieren, was die Erfolgreichsten unter ihnen gemeinsam haben.
Dabei bin ich auf 7 Eigenschaften gekommen. Diese möchte ich dir heute vorstellen.
Bereit?
Eigenschaft #1: Ewig Lernende bleiben
Was bedeutet das Wort „Meister“ in Scrum Master?
Für einige bedeutet es, dass ein Scrum Master Scrum gemeistert hat. Er ist der Experte in Scrum. Er weiß alles über Scrum. Er kann jede Frage beantworten und es gibt nichts mehr für ihn zu lernen.
Für andere bedeutet es, sich auf den Weg zur Meisterschaft zu begeben. Wohl wissend, dass dieses Ziel niemals erreicht wird. Anstatt auf alles eine Antwort zu wissen, fragt dieser Scrum Master sich unaufhörlich, ob es nicht einen besseren Weg gibt, wie Teams erfolgreich sein können (mit oder ohne Scrum). Letzteres kennst du bestimmt als Growth-Mindset oder in den Worten Laozis, des Begründers des Taoismus:
„Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück.“
Und das ist für mich das erste Eigenschaft, das erfolgreiche Scrum Master auszeichnet.
Eigenschaft #2: Mit gutem Beispiel vorangehen
Erfolgreiche Scrum Master sind die Ersten.
Die Ersten, die ein Problem nicht akzeptieren. Die Ersten, die zugeben, dass sie einen Fehler gemacht haben. Die Ersten, die eingestehen, dass sie Hilfe brauchen. Dabei ist es nicht einfach, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Ich erinnere mich noch gut an meine Anfänge als Scrum Master, als ein Entwickler erwiderte:
„Warum sollte ich auf dich hören? Unser Ziel ist dir doch auch nicht wichtig.“
Zuvor hatte ich ihn aufgefordert, doch bitte an den Einträgen des Sprint-Backlogs zu arbeiten und nicht an anderen Dingen. Aber wo er recht hatte, hatte er recht. Als Scrum Master kann ich nicht für den Fokus auf das Sprintziel plädieren, wenn ich selbst in drei Teams an drei Zielen arbeite. So lebte ich die Scrum Werte nicht vor. Bei erfolgreichen Scrum Mastern beobachte ich das Gegenteil.
Sie gehen erst mit gutem Beispiel voran, bevor sie etwas von anderen einfordern.
Eigenschaft #3: Bei der Lösung des Problems zurücktreten
Wie ermöglicht ein Scrum Master Selbstmanagement?
Die Antwort ist so einfach, dass sie schwierig ist. Sie lautet:
Halte dich mit der Lösung zurück.
Damit ist nicht gemeint, dass du nichts tun und dich zurücklehnen sollst. Ganz im Gegenteil. Du musst nur widerstehen, sofort eine Lösung vorzugeben. Das ist viel verlangt. Ich weiß. Denn ungelöste Probleme sind unangenehm. Sie können auch gefährlich sein. Denke nur daran, als du das letzte Mal auf offener Fläche einem Säbelzahntiger begegnet bist. Deshalb besteht unser natürlicher Reflex darin, Probleme sofort zu lösen. Damit wollen wir uns schützen. Beim Tiger hoffentlich, indem wir weglaufen. Gleichzeitig verhinderst du durch das Vorgeben einer Lösung aber vielleicht das Selbstmanagement im Team. Selbstmanagement kann erst dann entstehen, wenn das Team gemeinsam überlegt, wie es das Problem lösen will, und keine Lösung vorgegeben bekommt.
Deshalb decken erfolgreiche Scrum Master Probleme erstmal nur auf, statt sie sofort zu lösen.
Eigenschaft #4: Entscheidungen erleichtern
Was unterscheidet eine Diskussion vom Handeln?
Eine Entscheidung.
Dr. Robert Zawacki von der University of Colorado drückt die Effektivität einer Entscheidung mathematisch aus:
Effektive Entscheidung = Die richtige Entscheidung x Commitment zur Entscheidung
Mit dem Multiplikationszeichen in der Formel bringt Dr. Zawacki zum Ausdruck, dass selbst die beste Entscheidung völlig unwirksam werden kann, wenn das Commitment für den Beschluss nicht vorhanden ist. Denke nur an die letzte Verbesserung der Retrospektive. Sie kann noch so genial sein – wenn sie im nächsten Sprint niemand umsetzt, dann hilft sie dem Team nicht.
Erfolgreiche Scrum Master schaffen es, dass das Team wichtige Entscheidungen am Ende von Teamdiskussionen auch trifft. Sie tun dies, indem sie Verantwortung und Verpflichtungen klarmachen und mit passenden Methoden die gemeinsame Entscheidungsfindung begleiten.
Willst du hierüber mehr erfahren? Dann wirf gerne einen Blick auf meinen Artikel: „In 5 Schritten zu einer Entscheidung, die Bestand hat – die ultimative Anleitung für Scrum Master“.
Eigenschaft #5: Auf Misserfolge vorbereitet sein
Sollte das Team jeden Sprint sein Sprintziel erreichen?
Hier gehen die Meinungen auseinander:
- Eine Hälfte von Scrum Mastern argumentiert dafür, da es die Motivation im Team stärkt, wenn ein Ziel am Ende auch erreicht wird. Dies zeigt auch den Stakeholdern, dass auf das Team Verlass ist. Somit hilft es, Vertrauen im Team, bei Stakeholdern und Kunden aufzubauen.
- Die andere Hälfte vertritt den Standpunkt, wenn ein Team 10 von 10 Sprintzielen erreicht, dann stimmt etwas nicht. Sind die Sprintziele nicht ambitioniert genug? Ist das Produkt noch nicht live, dass nie etwas Unerwartetes dazwischenkommt? Kommt es im Team nie zu Kompromissen zwischen Geschwindigkeit und Qualität?
Erstmal kann ich beiden Seiten etwas abgewinnen.
Aber aus meiner Erfahrung führen Teamentscheidungen häufig nicht zu dem erwarteten Ergebnis. Teams werden nicht jedes Sprintziel erreichen. Und das ist wichtig. Denn es ist Teil des Lernens und des Wachstums. Und darauf sind erfolgreiche Scrum Master stets vorbereitet.
Sie sind bereit, das Team in einer solchen Situation aufzufangen und mit ihm gemeinsam wieder nach vorne zu schauen.
Eigenschaft #6: Den Menschen in den Mittelpunkt stellen
Das Scrum Rahmenwerk kennt drei Verantwortungen.
Verantwortung bedeutet, dass sich jemand darum kümmern muss, sonst wird die Entwicklung eines Produkts wahrscheinlich nicht erfolgreich sein. Der Product-Owner verantwortet, dass das Team den Wert für die Kunden und für das Unternehmen maximiert. Die Entwickler verantworten, dass das Produkt in hoher Qualität gefertigt wird. Und der Scrum Master?
„Der Scrum Master verantwortet den Prozess.“
Wenn das deine Antwort ist, dann nicht so schnell. Denn der Scrum Master verantwortet, dass das Team effektiv arbeitet. Also zwei Dinge:
- Effektivität zum einen. (Dort findest du den Prozess.)
- Das Team zum anderen. Und beim Team geht es um Menschen.
Ich kann das nicht laut genug sagen:
Erfolgreiche Scrum Master kümmern sich um die Menschen im Team, nicht um die Technik und nicht um den Wert. Um die Menschen. Sie hören ihnen zu, ohne zu urteilen. Sie gehen immer von positiven Absichten hinter ihren Handlungen aus. Sie holen die Mitglieder im Team dort ab, wo sie stehen, und helfen ihnen, den nächsten Schritt zu finden.
Sie verantworten die Weiterentwicklung der Menschen.
Eigenschaft #7: Wenig Toleranz für Hindernisse
Was ist das erste Hindernis jedes Scrum Teams?
Wir finden die Antwort im Scrum Guide: Der Scrum Master unterstützt das Team, durch
„die Beseitigung von Hindernissen (impediments), um den Fortschritt des Scrum Teams zu bewirken.“
Und jetzt bleib bei mir:
Ein Hindernis, das den Fortschritt des Scrum Teams behindert, kann nur existieren, wenn transparent ist, was Fortschritt für das Scrum Team bedeutet. Nochmal in anderen Worten: Ohne ein Maß für den Fortschritt gibt es keine Hindernisse. Es gibt nichts, was ein Scrum Master beseitigen soll. Als Scrum Master musst du verstehen, dass das erste Hindernis darin besteht, zu messen, was Fortschritt für das Scrum Team bedeutet. Nur dann kannst du erkennen, wenn Fortschritt ausbleibt. Was ein Anzeichen für ein Hindernis ist.
Du kannst hierfür die Velocity nehmen.
Erfolgreiche Scrum Master zeichnen sich allerdings dadurch aus, dass sie sich nicht auf eine Zahl verlassen, sondern einen ganzheitlichen Blick auf den Fortschritt des Teams haben wollen. Etwa durch den Blickwinkel der vier „Key Value Areas“ aus dem „Evidence-Based Management“-Framework:
Und gegenüber allem, was diesen ganzheitlichen Fortschritt behindert, haben sie wenig Toleranz. Angefangen damit, dass ihr Team keine Kennzahlen für Fortschritt oder Erfolg hat und somit die Hindernisse des Fortschritts gar nicht auffallen können.
Willst du mehr über Kennzahlen und Messung lernen?
Dann empfehle ich dir den Besuch meines „Professional Agile Leadership – Evidence-Based Management“-Trainings. Dort zeige ich dir, wie du den Fortschritt deines Teams ganzheitlich messen kannst. Wenn du vorab bereits Einblicke haben willst, schaue dir gerne mein kostenloses Webinar „Evidence-Based Management: Funktioniert Scrum in deinem Unternehmen?“ dazu an.