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5 Fehler, mit denen Scrum Master die Sprint-Retrospektive unnötig verkomplizieren

September 2, 2024

Das Schwierigste an Scrum ist nicht das Verständnis für die Kunden. Es ist nicht die Entwicklung von Features. Und es ist definitiv nicht die Kommunikation im Team. Das Schwierigste an Scrum ist, sich kontinuierlich zu verbessern.

Und trotz der Tatsache, dass es schwer ist, ein Bewusstsein für kontinuierliche Verbesserung in allen Bereichen zu schaffen, haben unerfahrene Scrum Master eine seltsame Angewohnheit.

Sie machen es sich selbst noch schwerer.

Du wärst erstaunt, wie viele Fragen mich pro Woche zur Sprint-Retrospektive erreichen. Mittlerweile erkenne ich darin ein Muster. Und ich kann die Fragen zu fünf Fehlern zusammenfassen, mit denen Scrum Master die Sprint-Retrospektive unnötig verkomplizieren.

Da ich nicht möchte, dass diese Fehler dein Leben als Scrum Master unnötig schwer machen, teile ich sie auch mit dir:

Fehler 1: Zu viele Methoden

Wie viele Phasen hat eine Retrospektive?

Wenn es nach Esther Derby und Diana Larsen geht, dann fünf. In ihrem Buch „Agile Retrospectives“ beschreiben sie diese im Detail:

  • Einrichten der Bühne
  • Daten sammeln
  • Erkenntnisse gewinnen
  • Maßnahmen planen
  • Abschluss

Daraus resultiert die gängige Meinung, dass eine gelungene Retrospektive nach Phasen aufgebaut sein muss. Was ist, wenn diese Einschätzung falsch ist? Was ist, wenn eine Retrospektive auch ohne die Unterteilung in Phasen funktionieren kann?

Ich behaupte keinesfalls, dass dem so ist. Aber ich denke, es lohnt sich, einen Moment darüber nachzudenken. Warum will ich dich dazu anregen?

Häufig werde ich gefragt, was passende Methoden oder Techniken für jede Phase sind. Ebenso werde ich gefragt, wie sich die Übergänge zwischen den Phasen reibungslos gestalten lassen. Und auch, wie viele Minuten jeder Phase gewidmet werden sollten, wenn die Retrospektive nur 60 Minuten dauert. Und spätestens hier sollten wir uns die kritische Frage stellen:

Sind jetzt Prozesse und Werkzeuge wichtiger als Individuen und Interaktionen?

Begehe nicht den Fehler und verkompliziere die Retrospektive unnötig, indem du sie mit Methoden überfrachtest. Nutze Methoden erst, wenn der Austausch zwischen den Mitgliedern im Team ins Stocken gerät, Uneinigkeit herrscht ist oder nicht zum Ziel führt.

Fehler 2: Zu lange Analyse des Problems

Kommst du auch manchmal in der Retrospektive in Zeitnot?

Dann kommt dir das vielleicht bekannt vor: Die Retrospektive ist auf 90 Minuten angesetzt. Nach 75 Minuten diskutieren die Mitglieder im Team immer noch, warum es zu diesem Problem gekommen ist. So verliefen viele Sprint-Retrospektiven zu Beginn meiner Karriere als Scrum Master. Dementsprechend vernichtend war das Feedback meiner Teamkollegen: „Retrospektiven sind Zeitverschwendung, am Ende kommt wieder nichts dabei rum.“ Meine Selbstzweifel wuchsen und ich machte mir ernsthaft Gedanken, ob ich der Aufgabe gewachsen bin.

Die Rettung war irgendwann ein Workshop von Veronika Jungwirth und Dr. Ralph Miarka. Dort schnappte ich einen Satz auf, der meine Arbeit nachhaltig veränderte:

„Der Lösung ist es meist egal, wie das Problem entstanden ist.“

Und damit haben sie recht. Jeder, der ein Problem hat, hat auch meistens eine Idee, wie die Situation sich besser anfühlen könnte. Anstatt in der Frage zu verweilen, warum die User-Stories in diesem Sprint nicht fertig geworden sind, könnten wir uns auch die Frage stellen, wie wir in Zukunft die User-Stories im Sprint fertigstellen können. Sprachlich klingt es nur nach einer Kleinigkeit. Allerdings hat diese Umformulierung große Auswirkungen. Es geht nicht mehr darum, was gewesen ist, sondern was sein soll. Was uns in der Retrospektive vorankommen lässt.

Solltest du in der Retrospektive auch in Zeitnot geraten, weil sich dein Team in der Analyse des Problems verzettelt, dann erinnere dich an die Aussage: „Der Lösung ist es meist egal, wie das Problem entstanden ist.“ Und beginne, über Lösungsmöglichkeiten zu sprechen.

Fehler 3: Jeder kommt zu Wort

Hinter vorgehaltener Hand denke ich mir manchmal:

Der Unterschied zwischen einem unerfahrenen und einem erfahrenen Moderator ist, dass der erfahrene mehr Methoden kennt, als das Wort im Rundlauf an alle Teammitglieder zu geben.

Angehenden Scrum Mastern ist hier auch kein Vorwurf zu machen. Wenn sie jedem die Möglichkeit geben wollen, seine Meinung zu äußern, und gleichzeitig jeder die Meinung hören soll, dann denke selbst ich noch sofort an einen Rundlauf. Warum ist das so? Darauf habe ich keine wirkliche Antwort. Es scheint einfach die gängigste Art zu sein, Meetings abzuhalten.

Aber diese Methode kostet viel Zeit und raubt viel Energie. Und wenn dies die einzige Methode ist, um Austausch in der Retrospektive zu ermöglichen, dann wird die Zeit der Retrospektive sehr ineffizient genutzt. Jeder Scrum Master mit einiger Erfahrung nutzt deshalb andere Methoden, um Diskussionen zu fördern und zu lenken. In meinem „Professional Scrum Facilitation Skills“-Training erkläre ich zum Beispiel die Methode „1-2-4-All“ oder „White-Elephant-Prinzipien“. Diese stellen zwei einfache Alternativen dar, wie die Zeit in Retrospektiven effizienter genutzt werden kann.

Wenn du nicht auch diesen Fehler begehen willst, dann wechsle die Methoden zur Moderation regelmäßig ab.

Fehler 4: Mehr als eine Verbesserung

Wie verstehst du diese Sätze aus dem Scrum Guide?

„Das Scrum Team identifiziert die hilfreichsten Änderungen, um seine Effektivität zu verbessern. Die wirkungsvollsten Verbesserungen werden so schnell wie möglich in Angriff genommen. Sie können sogar in das Sprint-Backlog für den nächsten Sprint aufgenommen werden.“

Ich interpretiere in die Worte „wirkungsvollste Verbesserungen“, dass es sich um mehrere Verbesserungen handeln kann. Was uns gleich zum Problem bringt:

Wenn dein Team bereits ein Bewusstsein für kontinuierliche Verbesserung hat, dann wird es auch alle Verbesserungen diszipliniert umsetzen, da die Teammitglieder wissen, dass das der Garant für langfristigen Erfolg ist. Wenn das nicht der Fall ist und du eher damit zu kämpfen hast, dass die Mitglieder des Teams überhaupt zur Retrospektive erscheinen, oder du mit dem Management kämpfen musst, dass die Retrospektive nicht abgesagt wird, damit das Team wirklich Arbeit verrichtet, dann empfehle ich dir:

Fokussiere dich auf eine Verbesserung.

Die wahrscheinlich beste Möglichkeit, ein Bewusstsein für kontinuierliche Verbesserung im Team herzustellen, ist Motivation. Und Motivation entsteht bereits bei kleinen Erfolgen. Kontinuierliche Verbesserung bedeutet nicht, einmal drei Dinge zu verbessern, sondern Sprint für Sprint immer eine kleine Sache. Das motiviert dein Team auch langfristig, da es jeden Sprint aufs Neue erlebt, dass sich etwas – wenn auch nur eine Kleinigkeit – verändern kann.

Begehe also nicht den Fehler und demotiviere dein Team durch zu viele Verbesserungen auf einmal, für die dann die Zeit fehlt, sie wirklich umzusetzen.

Zum Abschluss noch ein weiterer Fehler, der damit verwandt ist:

Fehler 5: Zu große Verbesserungen

Demotivieren wir uns als Scrum Master manchmal auch selbst?

Versuchen wir, bestehende Teamstrukturen, Arbeitsprozesse oder Unternehmensregeln zu eliminieren und durch Neues zu ersetzen, dann ist das ein riesiger Aufwand, den wir nur schwer allein vollbringen können. Wir brauchen Unterstützer. Finden wir nur langsam Unterstützer oder bleibt die Hilfe gar ganz aus, dann ist die Veränderung gescheitert, bevor sie eigentlich begonnen hat.

Ein bekanntes Sprichwort besagt: „Der erste Schritt ist immer der schwerste.“ Und wenn es um Verbesserungsmaßnahmen der Retrospektive geht, würde ich sogar sagen:

„Je größer der erste Schritt, desto schwerer ist er.“

Kontinuierliche Verbesserung ist am ehesten mit dem Bau eines Schneemanns zu vergleichen. Du musst die Kugeln ins Rollen bringen, damit sie größer werden. Das heißt: Wir sollten mit einer (denke an Fehler Nr. 4) kleinen Maßnahme beginnen. Etwas, worin das Team frei handeln kann, ohne um Erlaubnis oder nach zusätzlichen Ressourcen fragen zu müssen.

Zusammenfassung:

Willst du die Sprint-Retrospektive nicht unnötig verkomplizieren, dann mache nicht die gängigen Fehler, sondern:

  • Stelle die Menschen und nicht den Prozess in den Vordergrund.
  • Erstarre nicht in der Analyse des Problems, sondern hilf, Lösungen zu finden.
  • Nutze „1-2-4-All“ und „White-Elephant-Prinzipien“, damit jeder zu Wort kommt.
  • Hilf dem Team, eine kleine Verbesserung zu finden. Aber dafür jeden Sprint eine.

Damit schaffst du Schritt für Schritt ein Bewusstsein für kontinuierliche Verbesserung.


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