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4 Feedback-Methoden für Scrum Master: So forderst du strategisches Feedback ein, unterstreichst deinen Wert und vermeidest damit eine unerwartete Kündigung

July 18, 2024

Im Jahr 2018 trat ich eine neue Stelle als Scrum Master an. Nach einem Jahr wurde ich gefeuert.

Der größte Fehler, den ich damals machte? Ich versuchte, der perfekte Scrum Master zu sein. Aber was steckt eigentlich hinter dem Anspruch, perfekt zu sein?

In meinem Fall war die Ursache für das Streben nach Perfektion die Angst vor Feedback.

Seitdem arbeite ich jeden Tag daran, diese Angst vor Feedback zu überwinden. Ich habe viel ausprobiert, aber am Ende ist es wohl wie bei jeder Angst: Du überwindest sie nur, wenn du handelst und dich der Gefahr aussetzt. Für mich bedeutet das: Feedback einfordern.

Immer und immer wieder.

Und ich möchte ehrlich zu dir sein: Es schreibt sich leicht. Es wirklich zu tun, erfordert sehr viel Mut. Allerdings lässt sich dieser Mut antrainieren. Der Schlüssel zum Mutigsein liegt darin, sich kontinuierlich zu steigern.

Und dafür möchte ich dir eine Anleitung in diesem Artikel geben.

Seitdem ich den Mut aufbringe, früher nach Feedback zu fragen, haben sich meine Scrum-Master-Fähigkeiten verbessert. Ich gerate weniger mit Managern aneinander. (Ich bin seitdem nicht mehr gefeuert worden.) Noch wichtiger: Mut zum Feedback ist wohl die wichtigste Fähigkeit, die ein Scrum Master seinem Team vorleben sollte, wenn er ein Vorbild in Sachen Agilität sein will.

Beginnen wir mit einem kleinen ersten Schritt:

Einzelgespräche mit deiner Führungskraft ansetzen

Wenn du neu als Scrum Master bist oder einfach neu im Unternehmen, dann vereinbare alle zwei Wochen ein Gespräch mit deiner Führungskraft.

Ziel dieses Gesprächs sollte es sein, Feedback zu deiner Arbeit zu erhalten. So hat deine Führungskraft frühzeitig die Möglichkeit, auf deine Entwicklung im Unternehmen einzuwirken. Wie kann so ein Gespräch aussehen?

Besprich den „Impediment“-Backlog mit ihr. Damit habe ich die besten Erfahrungen gemacht, denn dadurch ist das Gespräch sehr konkret, deine Führungskraft sieht, wie du an Probleme herangehst, und du bekommst Unterstützung bei schwierigen Problemen.

So gehst du dafür vor:

  • Teile deiner Führungskraft deine Beobachtungen mit. Zum Beispiel: „Das Scrum Team trifft sich nur jeden dritten Tag zu einem Stand-up.“
  • Erkläre ihr, warum du das für problematisch erachtest. In unserem Beispiel: „Der Fortschritt wird nicht sichtbar und somit wird ein Problem erst spät aufgedeckt. Das führt dazu, dass bis zur letzten Demo nur eine von fünf User Storys fertig war. Die Entwickler versuchen zu lange, das Problem selbst zu lösen, bevor sie um Hilfe bitten.“
  • Stelle ihr deine Ideen vor, wie du das Problem lösen willst. Zurück zu unserem Beispiel: 
    • Option 1: Eine Schulung zur Auffrischung der Scrum-Grundlagen mit dem Fokus auf täglichen Feedback-Schleifen. 
    • Option 2: Den Regeltermin von jedem dritten Tag auf jeden Tag ändern. 
    • Option 3: Das Thema, dass nur eine von fünf User Storys im Sprint fertig wurde, zum Gegenstand der Retrospektive machen.

Jetzt kommt ein entscheidender Punkt:

Sprich dich nicht für eine Lösung aus, sondern bitte deine Führungskraft um eine Einschätzung der Situation. Sieht sie die Situation auch so? Falls ja, bitte sie um eine Empfehlung, welche Lösung du verfolgen solltest. Mit diesem Vorgehen wirst du dir langfristig das Vertrauen deiner Führungskraft in deine Fähigkeiten erarbeiten. Je mehr dir deine Führungskraft vertraut, desto mehr Freiraum für Entscheidungen wirst du bekommen und gleichzeitig deine Führungskraft als deinen wichtigsten Unterstützer bei schwierigen Veränderungen behalten.

Wenn du dich mit dem Feedback aus Einzelgesprächen wohlfühlst, dann lautet der nächste Schritt:

Feedback nach Meetings und Scrum-Events einholen

Bitte nach jedem Meeting, Scrum-Event und Workshop, den du moderierst, auch um Feedback.

Für das Sprint Planning im Team scheint dies keine große Herausforderung, allerdings kann es für das Sprint Review oder Retrospektiven mit Stakeholdern aus unterschiedlichen Abteilungen und Management-Ebenen schon einiges an Mut erfordern.

Steigere dich langsam.

Hierzu solltest du das Rad nicht neu erfinden. Ich habe es mir in der Vergangenheit immer so einfach wie möglich gemacht, Feedback einzuholen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ich meine Angst überwinde und wirklich handle.

Deshalb nutze ich den ROTI-Feedback-Strahl mit folgender Frage:

„Hat sich deine investierte Zeit für dieses Meeting bis jetzt gelohnt – in Relation zu dem erzielten Nutzen für deine tägliche Arbeit?“

Mit folgenden Auswahlmöglichkeiten:

  • Wertlos. Die bis jetzt investierte Zeit ist verloren.
  • Geringer Nutzen. Bis jetzt wurde zu viel Zeit für zu wenig Nutzen investiert.
  • Bis jetzt ist das Verhältnis zwischen Nutzen und investierter Zeit ausgewogen.
  • Der Nutzen überwiegt die investierte Zeit bis jetzt.
  • Wertvoll. Bis jetzt ist der Nutzen groß im Verhältnis zur investierten Zeit.
     

Im Anschluss bittest du die Teilnehmer darum, dir spezifische Verbesserungsvorschläge zu geben. Wenn du davor zurückschreckst, von Stakeholdern aus unterschiedlichen Abteilungen und Management-Ebenen Feedback einzuholen, dann erinnere dich daran, dass du diesen Mut bereits aufgebracht hast. Es ist nur ein Einzelgespräch. In Einzelgesprächen um Feedback zu bitten, diese Hürde hast du bereits im ersten Schritt genommen.

Nutze diese Ressource.

360-Grad-Team-Feedback nutzen

Bisher hast du ausschließlich Feedback zu deiner Arbeit eingefordert.

Jetzt sollen wir auch Feedback für deine Weiterentwicklung und dich als Kollegen einholen. Hierzu eignet sich am besten die Methode des 360-Grad-Team-Feedbacks. Bevor ich sie dir erkläre, lass mich dich vor einem großen Fehler warnen:

Das 360-Grad-Team-Feedback sollte niemals anonym passieren.

Dies dient deinem eigenen Schutz. Denn nicht jeder ist ein begnadeter Feedback-Geber, und die Anonymität verleitet Menschen dazu, Dinge zu sagen, die sie niemals jemandem ins Gesicht sagen würden. Zum anderen fehlt dir bei manchen Rückmeldungen der Kontext, und du hast keine Möglichkeit, diesen zu erfragen. Und Feedback ohne konkrete Situation macht es schwer, Verbesserungen zu identifizieren.

Nun zur Methode an sich. Sie besteht aus fünf Schritten:

  1. Ziel definieren: Was soll mit dem Feedback erreicht werden? Es geht um die Verbesserung deiner Arbeitsweise und deine berufliche Weiterentwicklung, nicht etwa um deine persönliche Entwicklung.
  2. Teilnehmer auswählen: Bestimme, wer Feedback geben soll. Halte den Kreis klein. Wähle ein bis drei Mitglieder aus deinem Team und vielleicht einen Scrum-Master-Kollegen aus einem anderen Team.
  3. Wähle deinen Moderator: Hierfür eignet sich deine Führungskraft, ein Scrum Master aus einem anderen Team oder jemand aus der HR-Abteilung.
  4. Feedback-Gespräch durchführen: Führe jeweils eine Feedbackrunde zu jeder dieser drei Fragen durch: Was sollte ich beibehalten? Was sollte ich aufhören? Was sollte ich anfangen? Für den Anfang genügen diese Fragen und das Gespräch sollte nicht länger als 30 Minuten dauern.
  5. Abschluss: Der wichtigste Punkt. Gehe nach dem Gespräch mit deinen Feedback-Gebern zum Mittagessen. Das ist mein voller Ernst. Das Feedback kann kleine Risse in der Beziehung hinterlassen. Diese solltest du sofort wieder kitten. Ein Essen in angenehmer Atmosphäre kann dies bewirken.

Neben Feedback zu deiner Arbeit stellt diese letzte Stufe des Feedbacks einen radikalen Ansatz dar:

Den Keeper-Test von deiner Führungskraft einfordern

Was ist der Unterschied zwischen einer Familie und einem Team im Profisport?

In meiner Jugend ist unser Basketballteam von der Kreisliga in die Bezirksliga aufgestiegen. Und das, obwohl wir nicht an der Tabellenspitze waren.

Eigentlich steigt immer nur der Meister in die nächste Liga auf. Was war passiert? Der Meister lehnte den Platz in der Bezirksliga ab. Deshalb rückte unser Team nach. Die Begründung des Meisterteams: Weder hatten sie die Talentdichte, noch verfügten sie über die finanziellen Mittel, sich personell zu verstärken.

Worauf will ich hinaus? Sportteams sind wegen ihrer Leistung zusammen. Dies gilt im Amateursport und verschärft sich immer mehr, je professioneller ein Team wird. Deshalb gibt es unter Sporttrainern auch das ungeschriebene Gesetz: Das Team, mit dem du den Klassenerhalt gesichert hast, ist ein anderes als das Team, mit dem du den Pokal gewinnst.

Dieses Gesetz gilt nicht für Familien. Familien bleiben zusammen, unabhängig von ihrer Leistung und ihren Erfolgen.

Ich glaube, Reed Hastings, der CEO von Netflix, war der Erste, der es so drastisch formuliert hat: Ein Unternehmen sollte nicht als Familie gesehen werden, sondern wie ein Profisportteam. Ich schließe mich seiner Einschätzung an. Diese Einstellung hat natürlich Auswirkungen auf das Feedback, welches wir uns einholen.

Als Scrum Master sollen wir uns letztendlich auch die Frage stellen:

„Wenn ich mich mit dem Gedanken tragen würde, zu kündigen, wie sehr würde sich meine Führungskraft bemühen, mich umzustimmen?“

Diese Art von Feedback ist als der Keeper-Test bekannt geworden und geht auch auf Reed Hastings zurück. Die Frage ist ganz einfach: Wenn du beschließt, das Unternehmen zu verlassen, wie sehr würde deine Führungskraft um deinen Verbleib kämpfen? Ist die Antwort deiner Führungskraft „gar nicht“, bedeutet das, dass du möglicherweise nicht den gewünschten Beitrag zum Unternehmenserfolg leistest.

Die Antwort kann brutal sein.

Sie stellt aber wohl die ehrlichste und ungefiltertste Form des Feedbacks dar. Sie erfordert somit am meisten Mut. Deshalb habe ich sie auch als letzte Methode aufgelistet. Und ich will auch ehrlich mit dir sein: Ich habe mich bisher nicht getraut, diese Frage zu stellen, – habe mir aber fest vorgenommen, dies im nächsten Personalgespräch zu tun.

Warum? Ich glaube, in meiner Situation damals hätte diese Frage meiner Führungskraft und mir viel Zeit und Frust erspart.

Je mehr Mut du aufbringst, desto hilfreicher wird dein Feedback werden. Die erste Stufe stellt Feedback zu deiner Arbeit dar, dann Feedback zu deiner Entwicklung und der Abschluss stellt Feedback zu deinem Verbleib im Unternehmen dar.

Sei mutig. Hole dir Feedback. Werde somit zum Vorbild für die Feedback-Kultur und realisiere Agilität in deinem Unternehmen.


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