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3 Strategien für Scrum Master: So stärkst du den Zusammenhalt über Teamgrenzen hinweg und veränderst die Organisation nachhaltig

August 5, 2024

Diese Daten zur „Reife“ eines Scrum Masters lösen zurzeit viele Diskussionen aus:

Ich halte es für sehr hilfreich, dass ScrumMatch diese Informationen veröffentlicht hat. Sie ermöglichen einen tieferen Einblick in die Arbeit, Wirkung und den Erfolg von Scrum Mastern. Was ich bei der Diskussion allerdings vermisse, sind konkrete Hilfestellungen. Aus meiner Sicht ist es wenig hilfreich für die Agile-Community, dieses Bild zu reposten. Es bringt nichts, sich darüber auszulassen, dass nur etwa 1 bis 3 % der Scrum Master bereits erfolgreich Veränderungen in der Organisation vorangetrieben haben.

Die Frage sollte doch eigentlich lauten:

„Wie können wir den knapp 50 % der Scrum Master helfen? Wie können wir ihnen ermöglichen, Scrum besser zu verstehen und zu nutzen? Ziel ist es, die Produktentwicklung zu verbessern und die Organisation zu verändern.“

Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, einen Blick in den Scrum Guide zu werfen. In der Anleitung für den Scrum-Master-Beruf finden wir Folgendes:

Scrum Master unterstützen das ganze Unternehmen auf vielfältige Weise

Scrum Master helfen der Organisation, indem sie:

  • die Organisation bei der Einführung von Scrum schulen,
  • Mitarbeitenden und Stakeholdern helfen, die Vorteile empirischen Arbeitens zu verstehen, und
  • Barrieren zwischen Stakeholdern und Scrum Teams beseitigen.

Tipps, wie du als Scrum Master die ersten beiden Punkte umsetzen kannst, findest du hier:

Heute werde ich drei Strategien mit dir teilen. Diese Strategien habe ich in den letzten 10 Jahren genutzt. Mit ihnen habe ich Barrieren zwischen Stakeholdern und Scrum Teams beseitigt.

Strategie 1: Barrieren zwischen Teams auflösen und Zusammenarbeit ermöglichen

Reden die Teams miteinander? Und wie gut funktioniert das?

Vorab eine Warnung: Kommunikation der Kommunikation willen ist nicht das Ziel. Werden zu viele Unbeteiligte in Diskussionen und Entscheidungen einbezogen, sind zwar alle informiert, doch Entscheidungen dauern sehr lange – was dem Versprechen von Agilität widerspricht. Agilität verspricht ja gerade Reaktionsfähigkeit, also schnelle Entscheidungen.

Deshalb sollten wir uns auch immer fragen: Wie gut können die Teams unabhängig voneinander lauffähige Features produzieren?

Wir wollen also gleichzeitig Zusammenarbeit und Unabhängigkeit fördern.

Damit dieser Spagat gelingt, hat mir bisher diese Matrix geholfen:

Auf der einen Achse sehen wir die Anzahl der Produkte und auf der anderen die Anzahl der Teams. Du kannst hier „Produkte“ auch mit „Projekten“ oder „Wertströmen“ ersetzen.

Die Matrix gibt uns einen Anhaltspunkt, wo wir Zusammenarbeit fördern wollen und wo wir eher Unabhängigkeit fördern sollten.

  • Arbeiten mehrere Teams an einem Produkt, dann solltest du hier die Zusammenarbeit fördern. Etwa durch gemeinsames Refinement, durch Planung, Daily Scrum, Reviews und Retrospektiven. Ein Product Owner und ein Backlog sind auch gute Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zu fördern.
  • Arbeiten mehrere Teams an mehreren Produkten, dann solltest du die Unabhängigkeit fördern. Etwa indem jedes Produkt einen eigenen Product Owner hat, es separate Backlogs gibt und Teams nur an einem Produkt arbeiten.
  • Arbeitet ein Team an mehreren Produkten, dann solltest du die Kosten des Kontextwechsels aufzeigen. Suche nach Wegen, wie die einzelnen Produkte vielleicht zusammengefasst werden können. Eine weitere Möglichkeit ist, das Team in kleinere Teams aufzuteilen.

Barrieren zwischen Teams können durch die Struktur der Produkte, die Arbeitsweise, aber auch durch die Teamstruktur entstehen. Unterstütze die Organisation dabei, die beste Kombination zu finden. Fördere die Zusammenarbeit, wenn es nötig ist. Ermögliche ansonsten Unabhängigkeit.

Strategie 2: Barrieren zwischen Team und Management beseitigen und für Rollenklärung sorgen

Wie sieht eine ideale Scrum-Welt aus?

Wahrscheinlich würden die Karrierewege des Unternehmens zu den Zielen des Teams passen. Der agile Wandel würde von Führungskräften aktiv unterstützt, und schwerwiegende Hindernisse für die Teams würden direkt vom Management beseitigt.

Ich kenne nur wenige Unternehmen, die in dieser Welt leben. Wenn ich darüber nachdenke, dann stellt sich mir eine Frage: Hat ein solches Unternehmen wirklich Bedarf an Scrum Mastern? Haben dort nicht die Führungskräfte diese Rolle bereits verinnerlicht?

Sollte sich dein Unternehmen bisher nicht in dieser idealen Scrum-Welt befinden, dann ist dies erstmal ein gutes Zeichen. Es bedeutet, dass du noch gebraucht wirst. Gleichzeitig wirst du auch auf viel Widerstand in Bezug auf Scrum stoßen. Wäre dem nicht so, dann wäre Scrum ja bereits optimal etabliert.

Aus meiner Erfahrung ist der größte Fehler, direkt zu versuchen, zum Endzustand zu gelangen. Es ist weniger frustrierend, damit zu beginnen, den Status Quo transparent zu machen. Schrittweise kann man sich dann dem Idealbild nähern. Wie machst du den Status Quo transparent? Ein Blick auf das Organigramm wird dir da nicht viel helfen, du solltest die aktuelle Situation aufzeigen.

Da du nicht der Einzige bist, der vor diesem Problem steht, gibt es dafür viele Werkzeuge. Mein Favorit ist das „Management und Scrum“-Kartenset. Ich finde es hilfreich. Außerdem ist es einfach zu nutzen. Ich verwende es auch in jedem fortgeschrittenen Professional-Scrum-Master-Training mit Marc Kaufmann.

Im Wesentlichen besteht es aus fünf Schritten, die du mit deinem Team und den Stakeholdern als Workshop durchführen kannst:

  1. Erstelle eine Liste aller Tätigkeiten und Entscheidungen, die für die erfolgreiche Entwicklung eures Produkts nötig sind.
  2. Visualisiere den Idealzustand mit Scrum. Das heißt, alle Tätigkeiten und Entscheidungen werden vom Product Owner, den Entwicklern oder dem Scrum Master durchgeführt. Es sind keine Projektleiter, Produktmanager oder disziplinarischen Führungskräfte mehr nötig, damit das Team ein Produkt entwickeln kann.
  3. Nach dem Idealzustand visualisierst du die aktuelle Situation. Welche Abweichungen gibt es?
  4. Überlegt gemeinsam, welche dieser Abweichungen den Erfolg deines Scrum Teams wirklich verlangsamen oder behindern. Diese sind die wahren Hindernisse.
  5. Überlegt gemeinsam, was ihr als erstes tun könnt, um diese Hindernisse zu entfernen.

Das Tolle an dieser Übung ist aus meiner Sicht:

Nun ist der Ist-Zustand erstmal transparent. Erst jetzt hast du als Scrum Master einen Überblick, welche Entscheidungsbefugnisse deinem Team fehlen. Bei der Behebung der Hindernisse hast du jetzt viele Möglichkeiten. Entscheidungsträger können so etwa Bestandteil des Scrum Teams werden, oder die Verantwortung kann schrittweise ans Team delegiert werden.

Wichtig: Es geht nicht darum, perfektes Scrum zu machen, sondern darum, die Verantwortung für den Produkterfolg in die Hände des Scrum Teams zu legen. Das ermöglicht schnelle und gute Entscheidungen und somit Agilität für das gesamte Unternehmen.

Die Klärung von Verantwortung und Rollen ist dabei der erste Schritt.

Strategie 3: Informationssilos verhindern und barrierefreies Lernen ermöglichen

Was ist der Zweck von Scrum?

Letzte Woche habe ich mich am Flughafen in London mit Fredrik Wendt unterhalten. Er ist ebenfalls Professional Scrum Trainer und stammt aus Schweden. Bei unserer Unterhaltung hat er mir ein interessantes Detail aus seiner Zeit bei Spotify verraten. Er erzählte mir, dass sein Scrum Team damals jeden Montag eine Rundmail verfasste. In dieser Rundmail informierten die Teammitglieder das ganze Unternehmen darüber, was sie in der letzten Woche gelernt hatten. Es ging hierbei um die Entwicklung des Produkts, die Nutzung des Produkts und die Prozesse im Team. Die E-Mail endete mit der Einladung: Wer mehr erfahren will, ist herzlich eingeladen, zum Review am Mittwoch zu erscheinen.

Was hat diese Geschichte mit dem Zweck von Scrum zu tun? Viele unerfahrene Scrum Master glauben noch fälschlicherweise, dass es bei Scrum nur darum geht, schnell oder besser zu liefern. Natürlich haben sie damit nicht Unrecht, regelmäßiges Feedback verbessert die Entwicklung. Allerdings wird Scrum dann auf ein Thermostat reduziert. Ein Thermostat kann auch nur die Temperatur regeln, es reagiert nur auf Feedback. Es kann nicht hinterfragen, ob die Art und Weise, wie es die Temperatur regelt, verbessert werden kann. Ein Thermostat ist also dumm.

Scrum Teams sind nicht so dumm.

Scrum ermöglicht es gerade, zu hinterfragen, wie die Art und Weise der Entwicklung und Zusammenarbeit verbessert werden kann. Hierbei handelt es sich um die Retrospektive. In anderen Worten: Scrum liefert eine Blaupause, wie „Double Loop Learning“ umgesetzt werden kann. Und der Vater der Organisationspsychologie, Chris Argyris, bezeichnet „Double Loop Learning“ als den Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens. Nicht, wer schneller Fehler machen kann, gewinnt. Niemand macht gerne Fehler. Sondern, wer schneller lernen kann, gewinnt.

Fredriks Beispiel zeigt, wie Spotify „Double Loop Learning“ bereits vor vielen Jahren für sich etabliert hat. Aus meiner Sicht ist das die wahre Antwort auf die Frage, was der Zweck von Scrum ist:

Eine lernende Organisation aufzubauen. Scrum ist dafür ein Grundbaustein.

Willst du dein Unternehmen unterstützen, auch diesen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, dann musst du dir die Frage stellen:

Wie kannst du in deinem Unternehmen „Double Loop Learning“ etablieren?

Fredriks Scrum Team hat es mit der Rundmail an das ganze Unternehmen initiiert. Dies wäre eine Möglichkeit. Eine andere ist, erstmal bei den Scrum Mastern anzufangen. Gründe eine Scrum-Master-Community-of-Practice in deinem Unternehmen. Trefft euch dort einmal in der Woche. Tauscht euch über eure Learnings aus. Diskutiert, wie ihr Barrieren zwischen Stakeholdern und Scrum Teams beseitigt habt. Was hat funktioniert, was nicht und was habt ihr daraus gelernt?

  • Welche Strukturen zur Kommunikation habt ihr eingeführt, um Zusammenarbeit zu fördern?
  • Welche Kommunikation habt ihr verändert, um mehr Unabhängigkeit zu ermöglichen?
  • Was war das Resultat des Workshops zur Rollenklärung?

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