Produktive Scrum Events, die sich mühelos anfühlen, passieren nicht einfach so.
Sie werden situativ aus einzelnen, kleinen Bausteinen zusammengesetzt.
Erfahrene Scrum Master bedienen sich dabei an ihrer Toolbox von Facilitation-Methoden und -Techniken, die sie über die Jahre mühevoll gesammelt und zusammengestellt haben.
Damit du dir als angehender Scrum Master Zeit ersparen kannst, stelle ich dir meinen grundlegenden Methodenkasten vor. Diesen habe ich in den letzten 8 Jahren in mühsamer Arbeit aufgebaut. Die Liste enthält
- Namen der Facilitation-Techniken,
- Hinweise, wann du sie gut einsetzen kannst,
- Links zu weiterführenden Informationen.
Diese Liste bildet den Grundstock an Facilitation-Techniken, welchen ich auch den Teilnehmern des „Professional Scrum Facilitation Skills“-Trainings zur Verfügung stelle. Anhand dieses Grundstocks zeige ich im Training, wie die Scrum Events so gestaltet werden können, damit sie nicht nur effektiv sind, sondern sich auch für die Teilnehmenden mühelos und nicht langweilig anfühlen.
Tool #1: Introduction Carousel
Das Einführungskarussell ist eine Eröffnungstechnik, die du einsetzen kannst, um die Teilnehmer miteinander und mit dem Thema in Kontakt zu bringen.
Die Anwesenden arbeiten dabei in kleinen Gruppen und bewegen sich wie in einem Karussell von Station zu Station, wobei sie vorgefertigte Aufgaben besprechen.
Das Einführungskarussell eignet sich etwa, um das Sprint Review zu beginnen.
Tool #2: Right to pass
Als Facilitator wollen wir einen inklusiven und sicheren Raum für Menschen schaffen.
Dies kannst du erreichen, indem du die Teilnehmer daran erinnerst, dass sie – wenn sie sich bei einer bestimmten Aktivität unwohl fühlen – jederzeit das „Recht auf Ausstieg“ geltend machen und aussteigen können.
Zu Beginn einer Sprint Retrospektive kannst du damit schnell und einfach einen geschützten Raum herstellen.
Tool #3: Worst possible idea
Worst Possible Idea ist eine Technik aus dem Design Thinking. Sie hilft dabei, dass sich die Teilnehmer entspannen, ihr Selbstvertrauen gestärkt und ihre Kreativität erhöht werden.
Du erreichst dies, indem du die Anwesenden dazu einlädst, sich zu überlegen, was sie nicht tun sollten. Dadurch machst du den Weg frei, befreiter darüber zu sprechen, was sie tun sollten.
Diese Technik eignet sich gut, um Teamvereinbarungen zu erstellen.
Tool #4: Working Agreement
Arbeits- oder Teamvereinbarungen schaffen Transparenz und Klarheit. Diese Vereinbarungen sind explizit und sollten gemeinschaftlich erstellt werden.
Gemeinschaftlich erstellte Teamvereinbarungen bilden die Grundlage für die Zusammenarbeit im Scrum Team.
Tool #5: Roman Voting
Wenn dein Team eine „Ja/Nein“-Entscheidung treffen muss, dann eignet sich dazu die römische Abstimmung.
Nachdem die mögliche Entscheidung oder der Vorschlag diskutiert wurde, stimmt jeder Teilnehmer mit seinem Daumen ab. Ein Daumen nach oben ist eine Zustimmung. Ein Daumen nach unten bedeutet eine Ablehnung.
Als Facilitator kannst du diese Abstimmungsmethode verwenden, wenn du überprüfen willst, ob am Ende der Retrospektive alle Teammitglieder dafür sind, den erarbeiteten Verbesserungsvorschlag umzusetzen.
Tool #6: 1-2-4-All
1-2-4-All ist eine Technik aus der Sammlung der Liberating Structures. Sie ermöglicht es, jeden Einzelnen bei der Suche nach Antworten zu beteiligen.
Dabei wird in vier Schritten vorgegangen:
Du kannst 1-2-4-All verwenden, wenn du im Product Backlog Refinement jeden miteinbeziehen willst, um neue Einträge des Product Backlogs zu formulieren.
Tool #7: Dot-Voting
Abstimmen mit Punkten ist eine der schnellsten Methoden, um eine Konsensentscheidung zu erzielen.
Dazu erhalten alle Teilnehmenden eine gleiche Anzahl von Klebepunkten, die diese frei auf die zur Auswahl stehenden Optionen verteilen können. Anschließend werden die Punkte für jede Option zusammengezählt und diese absteigend nach Punktzahl sortiert.
Die Punktabstimmung kannst du als Facilitator in der Retrospektive verwenden, um dem Team zu helfen, aus einem großen Pool von Verbesserungsideen einige wenige Optionen auszuwählen.
Tool #8: Brainwriting
Individuelles Schreiben oder Brainwriting gibt den Anwesenden ihren eigenen Raum, um ihre Gedanken ohne Ablenkungen aufzuschreiben.
Brainwriting ist eine Technik zur Ideenfindung, bei der die Teilnehmer einige Minuten lang ihre Ideen zu einer bestimmten Frage aufschreiben, ohne zu sprechen. Dann gibt jede Person ihre Idee an die nächste Person weiter, die sie als Anstoß für das Hinzufügen oder Verfeinern ihrer eigenen Ideen nutzt.
Diese Technik eignet sich etwa, um im Product Backlog Refinement die Akzeptanzkriterien für die Einträge zu erstellen oder zu schärfen.
Tool #9: Affinity Mapping
Das Affinity Mapping hilft Teilnehmern, mehr Transparenz zu schaffen, wenn eine große Menge an Daten gesammelt wird.
Durch die Gruppierung von Daten oder Post-its entstehen Muster, die etwa bei Diskussionen und der Festlegung von Prioritäten helfen können.
Affinity Mapping kann dir im Sprint Review helfen, Ideen zur Produktverbesserung der Stakeholder zu clustern.
Tool #10: Small Teams Multi Tasking
Wenn eine Gruppe zu groß ist oder es viele Aufgaben in kurzer Zeit zu erledigen gibt, dann ist „Small Teams Multi Tasking“ hilfreich.
Bei dieser Aktivität teilt sich das Team in kleine Gruppen auf, um Multitasking zu betreiben. Jede Gruppe arbeitet an einer eigenen Aufgabe. Im Anschluss kommen wir alle zusammen und besprechen die individuellen Resultate.
Diese Technik kannst du im Sprint Planning verwenden, wenn es darum geht, die Umsetzung der einzelnen Product-Backlog-Einträge zu planen.
Tool #11: Gallery Walk
Der Galerierundgang hilft Arbeitsergebnisse mit dem ganzen Team zu teilen.
Dazu werden die Arbeitsergebnisse der einzelnen Gruppen im Raum ausgestellt. Sie bilden die Ausstellungsstücke, die es zu betrachten gilt. Anschließend wählt jede Gruppe einen Moderator, der für die Erläuterung der Arbeitsergebnisse verantwortlich ist. Er bleibt an seinem Ausstellungsstück stehen und hält sich für Fragen bereit. Alle verbleibenden Teilnehmer rotieren nun im Uhrzeigersinn von Ausstellungsstück zu Ausstellungsstück und beschäftigen sich näher mit den Ergebnissen der anderen Arbeitsgruppen. Der Moderator ist ihnen dabei behilflich.
Mit dieser Methode kannst du gut das Sprint Review facilitieren.
Tool #12: Troika Consulting
Troika Consulting ist eine weitere Liberating Structure, die hilft, Einblicke in aktuelle Fragen zu gewinnen und für die Beantwortung die Weisheit des Teams heranzuziehen.
In schnellen „Konsultationsrunden“ bitten Einzelne um Hilfe und erhalten sofort Rat von anderen. Dieses Peer-to-Peer-Coaching hilft dabei, alltägliche Lösungen für aktuelle Probleme zu finden.
Als Facilitator kannst du Troika Consulting einsetzen, um Teammitgliedern Feedback für ihre Arbeit zu ermöglichen.
Tool #13: Intentional Silence
Viele Menschen fühlen sich in Gesprächen wohl. Die Macht der Stille sollte jedoch nicht unterschätzt werden.
Als Facilitator solltest du den Menschen Raum geben, nachzudenken und ihre Gedanken zu sammeln. Besonders in einer virtuellen Umgebung ist dies besonders wichtig. Wenn eine Frage gestellt wird, dann lasse ich als Facilitator mit Absicht erst einmal Stille einkehren, wenn keiner der anderen sofort antwortet.
Diese Technik ist in der Sprint Retrospektive für Facilitatoren unverzichtbar.
Tool #14: Graphic Recording
Graphic Recording, also die Aufzeichnung von Ideen und deren Verschriftlichung, damit sie für alle sichtbar sind, stärkt die Beteiligung im Team. Es zeigt den Anwesenden, dass ihre Ideen wertgeschätzt werden, und hilft der Gruppe, sich zu erinnern.
Graphic Recording eignet sich, um die Product-Backlog-Refinement-Session zu begleiten.
Tool #15: White Elephant
Das White-Elephant-Prinzip geht auf die White Elephant Gift Exchanges zurück. Dabei handelt es sich um ein Spiel, bei dem reihum Geschenke ausgepackt werden und in der nächsten Runde der nächste die Chance hat, das Geschenk eines anderen auszupacken oder zu stehlen.
Die bekannteste Facilitation-Technik, die das White-Elephant-Prinzip verwendet, ist das White Elephant Sizing:
Jedes Teammitglied ist einmal an der Reihe. Ein Teammitglied hat maximal 60 Sekunden Zeit, um einen Zug zu beenden. Während seines Zuges kann das Teammitglied:
- einen neuen Product-Backlog-Eintrag vom Product Owner erhalten und diesen in eine Schätzkategorie einordnen,
- einen bereits platzierten Eintrag in eine andere Schätzkategorie verschieben,
- ablehnen, wenn alle Einträge platziert sind und er mit der Platzierung zufrieden ist,
- dem Product Owner eine Frage stellen, aber nicht mit den anderen Teammitgliedern darüber diskutieren.
Das White Elephant Sizing ist zu Ende, wenn jeder Eintrag sich in einer Schätzkategorie befindet und alle Teammitglieder abgelehnt haben.
Neben dem Product Backlog Refinement kannst du das White-Elephant-Prinzip auch in der Retrospektive anwenden.
Tool #16: Perfection Game
Das Perfection Game kann verwendet werden, um Feedback zu erhalten, Stärken zu entdecken und effektive Verbesserungsmaßnahmen zu erkunden. Es geht auf die Core Protocols zurück.
Es funktioniert wie folgt:
- Ein Teilnehmer stellt einen Vorschlag oder eine Idee vor und beantwortet nur reine Sachfragen.
- Jetzt überlegen sich alle anderen, wie sie den Vorschlag oder die Idee auf einer Skala von 1 bis 10 (10 entspricht „perfekt“) einordnen würden.
- Bevor jeder seine Bewertung abgibt, erwähnt er, was ihm gut gefällt. Im Anschluss nennt jeder seine Bewertung und ergänzt, was passieren müsste, damit man dafür eine 10 geben würde.
Du kannst das Perfection Game sehr gut in der Sprint Retrospektive oder dem Sprint Review einsetzen.
Tool #17: Bookshelf
Ein (virtuelles) Bücherregal bietet eine gute Möglichkeit, um Informationen auszutauschen und zugleich im Team Kontakte zu knüpfen und voneinander zu lernen.
Obwohl die Facilitation-Technik das Wort „Buch“ enthält, müssen es nicht nur Bücher sein, sondern auch Blogartikel, Artikel und so weiter sind geeignet.
Das Bookshelf hilft den Mitgliedern, auch abseits der Scrum Events ins Gespräch zu kommen und Wissen zu teilen.
Tool #18: 15 % Solution
Die 15-%-Lösung ist eine weitere Liberating Structure. Sie hilft dem Team, Verbesserungen zu entdecken und sich auf die Dinge zu konzentrieren, welche die Teammitglieder sofort und ohne Hilfe umsetzen können. Wenn ein Team ein Problem nicht sofort komplett lösen kann, hilft diese Technik, um nicht mehr länger warten zu müssen.
Du leitest die 15-%-Lösung mit der folgenden Frage ein: „Was sind unsere 15 %? Wo haben wir die Freiheit, nach eigenem Ermessen zu handeln? Was können wir tun, ohne nach zusätzlichen Ressourcen oder Erlaubnis fragen zu müssen?“
Als Facilitator kannst du 15-%-Lösungen nutzen, um die Verbesserung der Retrospektive so konkret wie nur möglich zu gestalten.