Kürzlich habe ich einen Workshop zur Strategiefindung durchgeführt.
Als Format habe ich dafür „Strategy Knotworking“ gewählt, welches auf dem Konzept von „Liberating Strategy“ von Keith McCandless und Johannes Schartau basiert. Wie ich den Workshop entworfen habe, kannst du in meinem Artikel „Hinter den Kulissen: So entwerfe ich Workshops – die 3 Schritte, die du nicht ignorieren solltest“ nachlesen. Was Strategie eigentlich bedeutet, möchte ich dir heute etwas näher bringen.
Ich habe die Einsichten und meine Reflexionen in 3 Lektionen verpackt.
Los geht’s:
Lektion #1: Der Begriff „Strategie“ kann verwirren
Was ist Strategie?
Leider habe ich schon zahlreiche All-Hands-Meetings erlebt, bei denen Führungskräfte die neue Strategie mithilfe zwanzigseitiger PowerPoint-Präsentationen verkündeten. Diese Präsentationen waren gespickt mit komplizierten Grafiken und noch komplexeren Zusammenhängen. Deshalb wundert es mich nicht, dass zu der Frage „Was ist Strategie?“ jedem etwas anderes durch den Kopf geht.
Für den einen ist es ein Plan, wie ein Unternehmen Erfolg haben wird. Für den nächsten hat es etwas mit Glück zu tun. Und für andere ist es nur unverständliche Theorie in PowerPoint verpackt. Die durchdachteste Antwort auf diese Frage stammt von Michael Porter. Er ist Professor an der Harvard Business School.
„Eine Strategie ermöglicht es, sich auf einzigartige Weise auf dem Markt zu positionieren.“
Meine Erfahrung lehrte mich: Sobald ich „Strategie„ erwähne, präsentiere ich sofort eine klare Definition. Andernfalls riskiere ich langwierige Diskussionen, wodurch mir Workshops, Coachings und die Aufmerksamkeit aller im Raum schnell entgleiten würden.
Lektion #2: Strategie bedeutet zu entscheiden – und das kommt von scheiden
Betrachten wir nochmal die Definition:
„Eine Strategie ermöglicht es, sich auf einzigartige Weise auf dem Markt zu positionieren.“
Bist du auch am Wort „einzigartig“ hängen geblieben? In diesem Wort steckt der Kern von Strategie. Einzigartig bedeutet, aus unterschiedlichen Möglichkeiten eine auszuwählen. Es geht also um Entscheidungen. Und jetzt kommt es:
Entscheidung kommt von Scheidung.
Erst sind Scheidungen schwer. Dann erfordern sie viel Mut. Und am Ende tun sie immer weh. Gegen die vorherrschende Meinung ist das Schwere an Strategie nicht, sie zu definieren. Dazu ist wahrscheinlich nur viel Selbsterkenntnis und emotionale Reife nötig.
Das wirklich Schwere ist:
- Strategie ist schwer umzusetzen und braucht dafür viel Disziplin.
- Strategie ist schwer zu artikulieren. Dafür braucht es die Fähigkeit, zu inspirieren und zu überzeugen.
- Strategie zwingt zu harten Kompromissen. Dazu braucht es viel Rückgrat.
Harte Kompromisse erfordern schwere Entscheidungen. Und diese erzeugen Unbehagen. Dazu komme ich in der dritten Lektion gleich noch. Die Erkenntnis für mich über Strategie: Wenn sich die Diskussion um „besser“, „schneller“ oder „günstiger“ dreht, dann sprechen wir noch nicht über Strategie. Wir sprechen dann über Strategie, wenn wir sagen, was wir nicht mehr machen, auch wenn es schmerzt.
Lektion #3: Unsicherheit selbst zu erfahren ist unangenehm
Jeder Scrum Master weiß, es gibt drei Arten von Problemen:
- Komplizierte Probleme: zum Beispiel ein kaputtes Auto zu reparieren. Es bedarf Fachwissen und Diagnosetools, um die Ursache des Problems zu verstehen und es zu beheben, aber die Lösung ist bekannt und kann von Experten durchgeführt werden.
- Komplexe Probleme: zum Beispiel die Entwicklung eines neuen Produkts auf Basis von Kundenfeedback. Es gibt keine vorgefertigte Lösung; man muss Prototypen erstellen, testen und aus den Reaktionen der Nutzer lernen, um das Produkt zu verbessern.
- Chaotische Probleme: ein plötzlicher und schwerer Systemausfall in einer IT-Infrastruktur, wo sofortige Maßnahmen erforderlich sind, um das System wieder online zu bringen und Schäden zu minimieren, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, was die beste langfristige Lösung sein wird.
Was viele Scrum Master jedoch nicht kennen:
Das Unbehagen, das entsteht, wenn man nicht weiß, welches Problem vorliegt.
Wie wurde mir das bewusst?
Als wir im „Strategy Knotworking“-Workshop die kritischen Unsicherheiten betrachteten. Diese Unsicherheiten bedrohten den Erfolg unseres Unternehmens. Es ist für die Menschen schwer, diesen Zustand zu ertragen. Allein am Tag des Workshops kamen drei Teilnehmer auf mich zu und erzählten mir, wie unangenehm sie sich bei dieser Übung fühlten. Strategie erfordert, Entscheidungen in unsicheren Situationen zu treffen. Niemand kann am Tag der Entscheidung wissen, ob diese Entscheidung die richtige sein wird. Ob sie langfristig dazu führen wird, dass sich das Unternehmen auf einzigartige Weise auf dem Markt positionieren wird. Es geht nicht mehr darum, mit der Konkurrenz um Marktanteile zu kämpfen, sondern darum, einen neuen Markt zu definieren.
Letztendlich geht es darum, herauszufinden, ob die Strategie die richtige war.
Die abschließende Lektion:
Wenn ich Anderen sage, sie sollen ihre Strategie ändern, und ihnen damit sage, sie sollen sich dem Unangenehmen aussetzen, dann sollte ich zuerst selbst lernen, den Zustand zwischen der letzten Strategie und (noch) keiner neuen Strategie zu ertragen.