Kein Wort lässt Scrum Master mehr zusammenzucken als „Sprint-Ziele“.
Ein gemeinsames Ziel, hinter dem jeder im Team steht. Ein Ziel, für das jeder bereit ist, sein Bestes zu geben. Sprint-Ziele vereinen Gruppen zu Teams. Teamarbeit in Unternehmen ist noch eher eine Rarität als die Norm. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Scrum Master noch nach einem guten Vorgehen suchen, um Sprint-Ziele zu etablieren.
Hier 3 Empfehlungen, die sich für mich über die Jahre bewährt haben:
Tipp 1: Sprint-Ziel-Checkliste
Eine erste Möglichkeit ist die Verwendung einer Checkliste für gute Sprint-Ziele:
Mein aktueller Liebling ist die Checkliste von Maarten Dalmijn:
- Spaß: Hat unser Sprint-Ziel einen lustigen oder zumindest einprägsamen Titel?
- Ergebnisorientiert: Können wir verschiedene Wege finden, um dasselbe Ergebnis zu erreichen?
- Kollaborativ: Haben wir das Sprint-Ziel gemeinsam mit dem gesamten Team festgelegt?
- Endgültig: Ist der relevante Kontext gegeben, der deutlich macht, warum das Ziel wichtig ist?
- Einzigartig: Handelt es sich um ein einziges Ziel und nicht um eine Liste von (unzusammenhängenden) Zielen?
Besonders wichtig finde ich Punkt eins.
Warum kann ich mich noch heute an Sprint-Ziele von vor 5 bis 7 Jahren erinnern?
Wegen ihres Titels.
Über die Weihnachtsferien 2018 hatten wir das Sprint-Ziel: „Keep the lights on“. Ich war Scrum Master in einem Team, dessen primäre Aufgabe darin bestand, den Betrieb sicherzustellen und die Infrastruktur zu entwickeln. Über die Weihnachtstage wollten zwei Entwickler noch einige Aufräumarbeiten abschließen. Das Team stimmte dem zu, allerdings nur unter der Bedingung: Sie durften nichts kaputt machen. Niemand hatte Lust, vorzeitig aus dem Urlaub zurückzukommen, nur weil die Systeme nicht online waren.
Allerdings helfen solche Checklisten nur wenig, wenn niemand hinter dem Ziel steht. Deshalb:
Tipp 2: Alle einbeziehen
Wie schaffen wir es, dass jeder im Team hinter dem Ziel steht?
Hierauf kenne ich nur eine Antwort:
Engagement.
Jeder im Team muss bei der Definition des Ziels eingebunden sein.
Ich glaube fest daran: Wenn ein Ziel von uns selbst stammt oder wir an der Erstellung beteiligt sind, also unsere Meinung auch gehört wurde, dann geben wir bei der Erreichung des Ziels auch 100 %. Wie schaffen wir es also, jeden bei der Definition des Ziels einzubeziehen?
Mein bewährter Ansatz hierfür ist die Liberating-Structure 1-2-4-All.
Die Idee dahinter ist ganz einfach. Erstmal darf jeder im Team ein Ziel für den Sprint definieren. Egal ob Entwickler, Scrum Master oder Product-Owner. Dadurch wird schon mal jede Stimme im Team gehört. Dann versuchen wir schrittweise, ein gemeinsames Ziel zu finden, indem wir Vorschläge kombinieren, ausschließen und neue Vorschläge generieren. Keine Angst, es klingt komplizierter, als es ist.
Hier eine einfache Anleitung der einzelnen Schritte:
- Individuelle Reflexion (1 Minute): Jeder nimmt sich eine Minute Zeit, darüber nachzudenken, was ein lohnenswertes Ziel für diesen Sprint sein könnte. Das Nachdenken geschieht dabei in Stille. Dies ermöglicht es dem Einzelnen, seine Gedanken ohne äußere Einflüsse zu sammeln.
- Austausch in Paaren (2 Minuten): Die Teammitglieder bilden Paare, um sich gegenseitig mögliche Ziele mitzuteilen. So wird ein sicherer Raum geschaffen, in dem jeder seine Ziele vorstellen kann.
- Austausch in Quartetten (4 Minuten): Die Paare schließen sich nun zu Vierergruppen zusammen, in denen sie ihre Ziele weiter diskutieren und verfeinern.
- Zum Schluss kommt das gesamte Team zusammen: Jedes Quartett teilt seine wichtigsten Erkenntnisse und Entdeckungen, die sich aus der Diskussion ergeben haben, der ganzen Gruppe mit.
Aus meiner Erfahrung bleiben nach Schritt 3 ein bis drei gute Kandidaten für Ziele übrig. Und meistens einigt sich das Team in der Diskussion auf eins. Sollte das nicht so sein, kannst du mit diesen drei Regeln dem Team die Entscheidung etwas erleichtern:
- Verantwortlichkeiten nutzen: Eine Regel kann sein, dass der Product-Owner das letzte Wort hat.
- Mehrheitsentscheidung: Wenn ihr das Sprint-Ziel durch eine Mehrheitsentscheidung festlegt, dann eignet sich ein kurzes Dot-Voting.
- Einwandsbehandlung: Ihr könnt ein Ziel so lange anpassen, bis keiner im Team mehr einen Einwand gegen dieses Ziel hat.
- Checkliste: Ihr nehmt die Checkliste vom Anfang zur Hand und prüft, welches der Ziele die meisten Kriterien eines guten Sprint-Ziels erfüllt.
Checklisten für Sprint-Ziele helfen, gute Ziele zu formulieren, 1-2-4-All hilft, alle bei der Definition des Ziels einzubeziehen.
Dann bleibt noch eine Frage: Wie können wir das Team für die Umsetzung motivieren?
Dies ist mein letzter Tipp:
Tipp 3: Verantwortlichkeit herstellen
Ziele wirklich zu erreichen ist schwer.
Denke nur an die guten Vorsätze zum neuen Jahr.
Wenn es dir wie mir geht, dann sind meine Vorsätze für das neue Jahr immer überambitioniert gewesen. Ich glaube, ich setze mir jedes Jahr aufs Neue den Vorsatz, beim Laufen dranzubleiben und mindestens zweimal die Woche zu gehen. In der ersten Januarwoche, wenn ich Urlaub habe, ist dieser Vorsatz leicht zu halten. Wenn dann die Arbeit wieder beginnt oder es im Sommer über 30 Grad hat, ist von meinem Vorsatz nur noch wenig übrig.
Was in solchen Situationen hilft: Verantwortlichkeit.
Wir brauchen jemanden, der uns in der Verantwortung hält, unsere Ziele auch erreichen zu wollen. Beim Laufen kann es eine App sein. Meine Uhr erinnert mich spätestens im März mit dieser Meldung daran: „Simon, du kannst es noch schaffen ...“
Für Scrum-Teams hat sich bisher Folgendes bewährt:
- Video mit Sprint-Ziel: Das Team nimmt ein kurzes Video mit der Vorstellung des Sprint-Ziels auf.
- E-Mails ans Unternehmen: Nach dem Sprint-Planning eine E-Mail an den Unternehmensverteiler versenden: „Team X arbeitet diesen Sprint an Y. Das Review findet am Z um A statt.“
- Sprint-Ziel sichtbar am Sprint-Backlog anbringen: Für das Sprint-Backlog kannst du Jira verwenden oder auch im Büro ein Whiteboard. Siehe Bild.
- Sprint-Ziel im Review vorstellen: Beginnt das Sprint-Review mit der Vorstellung des Sprint-Ziels: „Das Ziel unseres Teams war es, diesen Sprint XYZ zu erreichen.“
Auf den ersten Punkt bin ich durch Zufall gestoßen.
Jemand aus dem Team war beim Sprint-Planning verhindert. Da er aber eine wichtige Rolle im Sprint spielte, kam ein Entwickler auf die Idee, ihm schnell eine WhatsApp zu schicken. Worauf ein anderer erwiderte: „Lass uns eine gemeinsame Sprachnachricht machen.“ Dann kam eins zum anderen und zum Schluss zeichnete ich einen kurzen Video-Clip mit meinem Handy auf und wir schickten ihm diesen. Das Motto dieses Sprints lautete: „Better call Saul Goodman“. Nach dem Anwalt aus der Serie Breaking Bad. Da die Aufzeichnung so lustig war, machten wir es in diesem Team zum Ritual, am Ende des Sprint-Plannings ein kurzes Video aufzuzeichnen und im Teamkanal zu teilen.
Netter Nebeneffekt: Das Video ersparte mir jegliche Dokumentation.
Sprint-Ziele machen aus einer Gruppe ein Team. Wenn du noch weitere Hilfe suchst, wie dein Team mit Scrum erfolgreich sein kann, dann komm zum nächsten „Professional Scrum Master 2“-Training in München. Marc und ich freuen uns darauf, all deine Fragen zu Sprint-Zielen persönlich zu beantworten.