Die wichtigste Aufgabe als Facilitator ist nicht, zu facilitieren.
Stattdessen solltest du deinem Team die Groan Zone erklären. 99 % der Scrum Master machen den Fehler, dass sie ihr Wissen und ihre Erfahrung mit Gruppendynamik nicht mit ihrem Team teilen. Dadurch zwingen sie ihr Team bei der Moderation von Scrum Events vom Scrum Master abhängig zu sein. Teilst du hingegen dein Wissen über die Groan Zone mit deinem Scrum Team, dann wird Facilitation eine Fertigkeit jedes Teammitglieds. Damit stärkst du wirksam die Fähigkeit zum Selbstmanagement.
Selbstmanagement zu fördern, ist der eigentliche Auftrag jedes Scrum Masters.
In Trainings, Workshops und auf Konferenzen habe ich in den vergangenen Monaten unzählige Male die Groan Zone erklärt. Dabei hat sich für mich folgende neunschrittige Anleitung bewährt. Wenn du dir Zeit sparen willst, dann verwende diese Schritte als Grundlage für deinen nächsten Groan-Zone-Workshop.
Los geht es:
1. Kontext herstellen
Diskussionen und Entscheidungen im Team kennt jeder. Damit sich die Teammitglieder besser mit dem Inhalt deines Workshops identifizieren, bitte sie, sich an eine Entscheidungsfindung zurückzuerinnern. Sie sollen sich eine konkrete Situation aus der jüngeren Vergangenheit vor Augen führen. Dabei ist wichtig, dass es sich um eine Diskussion mit mehreren Personen handelt.
2. Typischer Diskussionsverlauf
Nachdem jeder ein konkretes Bild vor seinen Augen hat, erklärst du anhand einer Übersicht einen typischen Verlauf einer Entscheidungsfindung.
Hier die zwei wesentlichen Charakteristika:
- Jede Diskussion hat einen Startpunkt.
- Die Entscheidung stellt den Endpunkt der Diskussion dar.
Erkläre nun dem Team, warum Meetings oft unproduktiv und frustrierend sind. Du wirst dazu mit ihnen ein Modell erarbeiten.
3. Divergentes Denken
Zeichne jetzt auf der linken Seite der Übersicht mehrere Pfeile ein. Ordne die Pfeile wie einen Fächer an. Erkläre den Teammitgliedern, dass jeder Pfeil einen Gedanken symbolisiert.
Etwa:
- Die erste Person sagt: „Ich denke, wir sollten X machen.“
- Die zweite Person sagt: „Nein, wir sollten Y machen.“
- Die dritte Person sagt: „Ich muss euch beiden widersprechen, Z ist die beste Lösung.“
- Die vierte Person sagt: „Nein, Z ist eine schlechte Idee!“
- Die fünfte Person sagt: „Ich glaube, wir sollten Kim für diese Frage dazu holen.“
4. Konvergentes Denken
Zeichne auf der rechten Seite der Übersicht einige Pfeile ein. Die Pfeile stellen das konvergente Denken dar. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Personen später im Meeting ganz unterschiedliche Meinungen vertreten. Zum Beispiel spricht sich die erste Person dafür aus, Idee Z zu verfolgen. Oder die ganze Gruppe hat sich darauf verständigt, jeden Vorschlag für jeweils 10 Minuten zu diskutieren.
5. Modell vorstellen
Im nächsten Schritt stellst du das ganze Modell vor.
Es besteht aus den beiden Phasen:
- Divergentes Denken
- Konvergentes Denken
Lade die Teammitglieder ein, dir Beispiele für die beiden Phasen zu nennen.
Hier einige Beispiele für divergentes Denken:
- Alternativen generieren
- Frei fließende, offene Diskussion
- Sammeln verschiedener Perspektiven
- Aussetzen von Urteilen
Und hier auch einige Beispiele für konvergentes Denken:
- Alternativen bewerten
- Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
- Sortieren von Ideen in Kategorien
- Beurteilung von Lösungen
6. Realitätscheck
Jetzt ist es an der Zeit, das Modell einem Realitätscheck zu unterziehen. Richte dazu folgende Einladung an die Teilnehmer deines Workshops:
„Bitte ruft euch noch mal eure konkrete Situation vom Anfang in Erinnerung. Bildet Paare und sammelt konkrete Aussagen, was ihr zwischen der divergenten und konvergenten Phase gehört habt.“
Im Anschluss sammelt ihr die Zitate in der Mitte der Übersicht.
Hier einige typische Beispiele meiner letzten Workshops:
- „Wir verschwenden unsere Zeit hier.“
- „Wir drehen uns im Kreis!“
- „Ich dachte, wir wären uns einig, dass wir beim Thema bleiben wollen.“
- „Wir benötigen bessere Meeting-Regeln.“
- „Versteht noch jemand, was hier eigentlich los ist?“
Schließe diesen Schritt damit ab, dass du herausstellst, dass wirkliche Entscheidungsfindungen viel unübersichtlicher sind, als im Modell dargestellt ist. Zeige auf die Mitte der Übersicht und erkläre, dass diese Phase für Teams stressig ist.
Jetzt wird es Zeit, die Groan Zone vorzustellen.
7. Die Groan Zone
Beginne die Vorstellung der Groan Zone, indem du den Teammitgliedern die Frage stellst:
„Wem von euch kommt diese Phase der Missverständnisse und Frustration bekannt vor? Wer gibt ein Beispiel?“
Da diese Phase ein natürlicher Bestandteil jeder komplexeren Diskussion ist, hat sie einen Namen: die Groan Zone. Den Namen hat sie von Sam Kaner, einem weltweit anerkannten Facilitator. Ich würde „groan“ mit „knirschen“ übersetzen. „Stöhnen“ oder „ächzen“ sind auch denkbar.
Schließe die Erklärung des Modells ab, indem du:
- die mittlere Phase als „Groan Zone“ beschriftest,
- sowohl „divergentes Denken“ durch „divergente Phase“ als auch „konvergentes Denken“ durch „konvergente Phase“ ersetzt.
8. Wie die Groan Zone entsteht
Es gibt eine verblüffend einfache Erklärung, wie die Groan Zone entsteht. Leider ist es auch das bestgehütetste Geheimnis erfolgreicher Facilitatoren.
Es kommt zur Groan Zone, wenn ein Teil der Gruppe noch divergent denkt, während der Rest der Gruppe bereits im konvergenten Denken angekommen ist.
Nachdem du diese Erkenntnis mit allen geteilt hast, lade die Teammitglieder ein, dies zu diskutieren:
„Ruft euch bitte noch mal eure konkrete Situation vom Anfang in Erinnerung. Bildet noch einmal Paare und rekapituliert eure Situation. Zu welchem Zeitpunkt war die Gruppe dabei in der gleichen Phase?“
9. Strategie, durch die Groan Zone zu navigieren
Als Abschluss für den Workshop hat es sich für mich bewährt, Strategien zu sammeln, wie durch die Groan Zone navigiert werden kann.
Eröffne mit einer Erklärung, wie der Übergang zwischen Groan Zone und divergenter Phase abläuft: Ein gemeinsames Verständnis wurde hergestellt! Es kennt nun jeder alle Optionen und hatte Gelegenheit, seine Position darzulegen und Fragen zu den anderen Vorschlägen zu stellen.
Bitte die Teammitglieder, die Strategien zu nennen, die helfen, durch die Groan Zone zu navigieren.
Hier einige Beispiele:
- jeden zu Wort kommen lassen
- auf gleichmäßig verteilte Redezeit achten
- keine Vorschläge vorschnell bewerten
- jede Idee auf einer eigenen Notiz festhalten
Diese Workshop-Anleitung wird dir helfen, Scrum Teams die Grundlagen effektiver Facilitation näherzubringen. Wenn dein Team ein grundlegendes Verständnis von Gruppendynamik erlangt hat, dann werden die Teammitglieder den Wert deiner Arbeit stärker wertschätzen. Ferner setzt du den Grundstock dafür, dass die Teammitglieder ihre eigenen Facilitation-Fertigkeiten weiterentwickeln wollen. Dadurch kannst du aus der Moderationsrolle in die Trainerrolle schlüpfen und damit deine Wirkung auf die Arbeitsweise vieler Teams skalieren.
Wenn du vor deinem ersten Groan-Zone-Workshop die Grundlagen über die Groan Zone noch einmal auffrischen willst, dann schaue dir mein Webinar über die „Effektive Facilitation der Scrum Events“ an.