Bei jedem Meeting sollten wir Neues lernen.
Das bedeutet: Bei jeder Sitzung, jedem Meeting oder Workshop sollte etwas Neues entstehen – eine neue Idee, ein neuer Plan, ein neues Produkt oder eine neue Lösung.
Ein erfolgreicher Facilitator ermöglicht es den Teilnehmern, das zu erreichen.
Vor einem Monat habe ich die Prüfung zum Professional Facilitator bei der „International Association of Facilitators“ bestanden.
Vorab habe ich mich intensiv auf die Prüfung vorbereitet, ich habe recherchiert, gelernt und mir Gedanken gemacht, was einen guten Facilitator auszeichnet. Dabei bin ich immer wieder auf acht Fragen gestoßen. Wenn du alle Fragen bejahst, bist du meiner Meinung nach bereits ein versierter Facilitator. Falls du einige Fragen noch verneinen musst, dann hast du gerade eine Möglichkeit gefunden, um deine Fähigkeiten als Facilitator zu verbessern. 😉
Hier sind die acht Fragen:
Frage 1: Weiß ich, was ich am Anfang, in der Mitte und am Ende einer Moderation tun muss?Die Eröffnung des Meetings besteht nur aus der Vorstellung deiner Person, du hältst dich streng an die Agenda, auch wenn die Teilnehmer über anderes diskutieren, und das Meeting endet ohne Beschluss.
Das sind Anzeichen dafür, dass du noch nicht weißt, was du am Anfang, in der Mitte und am Ende einer Moderation tun musst.
Meetings, in denen etwas Neues entsteht und jeder etwas lernt, zeichnen sich dadurch aus, dass etwas entschieden wird. Wenn du den Prozess der Entscheidungsfindung kennst, dann weißt du auch, was du als Moderator in den einzelnen Phasen tust.
Ein einfaches Modell, um Entscheidungen zu verstehen, ist der Diamant der partizipativen Entscheidungsfindung. Danach entstehen Entscheidungen in drei Phasen:
- Divergente Phase
- Konvergente Phase
- Übergang zwischen beiden Phasen
Wenn der Übergang zwischen divergenter und konvergenter Phase von Frustration geprägt ist, dann empfehle ich dir den Besuch meines „Professional Scrum Facilitation Skills“-Trainings; dort widmen wir dieser Phase im Meeting einen ganzen Tag.
Frage 2: Wende ich Techniken zur Förderung der aktiven Teilnahme und zur Erzeugung von Ideen an?Wenn im Meeting alle Personen auf den Beamer starren und nur eine Person Eingaben am Rechner macht, fehlt es dir noch an Techniken zur Moderation.
Als Facilitator solltest du einen gut gefüllten Rucksack an Techniken und Methoden zu jedem Meeting mitbringen. Techniken, die dir dabei helfen, jeden aktiv einzubeziehen und bei der Erzeugung von Ideen zu involvieren, stellen die Grundlage dar.
Hierzu gehören:
- Silent Writing
- 1-2-4-All
- Brainstorming
Wenn du mehr über diese Techniken erfahren möchtest, wirf einen Blick auf folgende Artikel, in denen ich Techniken im Detail vorstelle:
- 18 Werkzeuge, die jeder Scrum Master in seiner Facilitation-Toolbox haben sollte
- Liberating Structures kennenlernen: Wie du mit 1-2-4-All den idealen Einstieg findest und künftig jeden in deine Scrum Events einbeziehst
- Die Strategie Nr. 1: Wie Scrum Teams endlich mehr Verbesserungsideen in der Retrospektive generieren
Fragen sind das Herz und die Seele jeder guten Moderation.
Das bedeutet: Fragen sind die wichtigste Technik, um die Teilnehmer dazu zu bringen, sich zu öffnen, zu reflektieren, sich etwas vorzustellen, mitzumachen, Probleme zu erkennen und kreative Lösungen zu finden.
Gleichzeitig ist es schwer, eine gute Frage zu stellen. Es hat mich Jahre gekostet, bis ich verstanden habe, dass die meisten meiner Fragen in eine der beiden folgenden Kategorien fallen:
- Ich kenne die Antwort auf die Frage bereits.
- Es ist keine Frage, sondern ein als Frage getarnter Ratschlag.
Leider gibt es keine standardisierte Liste an Fragen, die wir Facilitatoren auswendig lernen können, um für jedes Meeting gewappnet zu sein. Die Kontexte, in denen die unterschiedlichen Meetings stattfinden, sind einfach zu verschieden.
Du wirst als Facilitator nicht darum herumkommen, eine eigene Liste mit Fragen zu erstellen, mit denen du gute Erfahrungen gemacht hast. Hier einige Fragen von meiner Liste:
- Welche Art von …?
- Erzähl mehr davon.
- Wenn Geld oder Zeit keine Rolle spielen würden oder du jede Unterstützung der Welt hättest, was würdest du dann tun?
- Was war neu, wurde bestätigt oder ist ungewöhnlich?
- Was geht dir jetzt durch den Kopf?
Fragen bilden das Herz und die Seele jeder guten Facilitation. Hinzu kommen jedoch noch aktives Zuhören und das Zusammenfassen von Kernpunkten.
Wenn du erfahren möchtest, wie du aktives Zuhören lernen kannst, dann lies meinen Artikel „Warum aktives Zuhören kein Soft Skill, sondern ein Hard Skill ist (und wie Scrum Master diese wichtige Fähigkeit erlernen können)“.
Frage 4: Mache ich Notizen, die genau wiedergeben, was die Teilnehmer gesagt haben?Als Facilitatoren sollten wir nichts schreiben.
Aufschreiben bedeutet: Wir formulieren einen Gedanken. Wir präzisieren ihn. Wir fassen ihn zusammen und schreiben ihn auf. Wir teilen ihn mit anderen. Kurz um: Es entsteht etwas Neues.
Diese Möglichkeit etwas Neues zu schaffen, sollten wir als Facilitator den Teilnehmern der Meetings nicht nehmen.
Sollte es dennoch einmal nötig sein, dann sollten wir nicht alles protokollieren, sondern uns auf das Wesentliche konzentrieren. Dazu gehören:
- während des Meetings getroffene Entscheidungen
- während des Meetings zugewiesene Aufgaben
- offene Fragen, die sich im Meeting ergeben haben
Beim Aufschreiben sollten wir folgende Regeln beachten:
- Erst schreiben, dann diskutieren.
- Schreibe nur auf, was die Teilnehmer tatsächlich gesagt haben, nicht das, was wir vermeintlich gehört haben oder was sie meinen könnten.
- Schreibe so, dass die gesamte Gruppe es lesen kann.
- Im Zweifel immer nachfragen, ob das Geschriebene dem Gesagten entspricht.
„Aber ...“
Dieser Ausspruch ist DAS Anzeichen dafür, dass du Feedback noch nicht als Geschenk annehmen kannst. Wenn du „Aber …“ als Reaktion auf Feedback gibst, dann kannst du das Gesagte nicht nachvollziehen, fühlst das Bedürfnis, dich zu rechtfertigen, oder das Feedback verletzt dich und du möchtest dich verteidigen.
Wie lässt sich der „Aber“-Reflex überwinden?
Als Facilitator bist du neutral. Du bist dafür verantwortlich, dass jede Stimme Gehör findet, Neues entsteht, jeder etwas lernt und die Gruppe Entscheidungen trifft.
Deshalb sage ich mir immer wieder: „Das Feedback ist nicht an mich – Simon – als Person gerichtet, sondern nur darauf, wie ich heute die Gruppe begleitet habe. Die Gruppe möchte mir auch die Möglichkeit geben, etwas Neues zu lernen und meine Facilitation-Fertigkeiten weiterzuentwickeln.“ Seitdem ich das verinnerlicht habe, sehe ich Feedback als Geschenk!
Wenn du lernen möchtest, wie du aufrichtig Feedback gibst, ohne dabei zu verwirren, dann lies meinen Artikel:
Frage 6: Helfe ich einer Gruppe, Konsent zu erreichen und das Meeting abzuschließen?Konsent bedeutet: Alle in der Gruppe müssen sich einig sein.
Falsch. Das ist eine weitverbreitete Fehlvorstellung!
Konsent bedeutet: Jeder in der Gruppe kann damit leben und unterstützt die Umsetzung.
Aus der Definition von Konsent können wir sofort ableiten, was unsere Aufgabe als Facilitator ist. Wir müssen verstehen, warum die Menschen in der Gruppe sich uneins sind, und ihnen helfen, ihre Differenzen zu überwinden. Das Ziel muss es sein, zu einem Vorschlag zu kommen, mit dem jeder leben kann, und dafür müssen alle Zweifel ausgeräumt werden.
Die drei Gründe für Uneinigkeit in Meetings sind:
- Nicht alle Personen verfügen über die gleichen Informationen.
- Nicht alle Personen teilen das gleiche Werteverständnis.
- Es gibt Faktoren, die zur Uneinigkeit führen, die jedoch außerhalb des Meetings liegen.
Die Aufgabe eines Facilitators ist es, zu erkennen, welcher Grund vorliegt, und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Differenzen beiseitezulegen.
Wenn das gelingt, steht einem Konsentbeschluss nichts im Wege und das Meeting findet für alle Beteiligten einen zufriedenstellenden Abschluss.
Frage 7: Kenne ich verschiedene Formen der Entscheidungsfindung und setze ich sie passend ein?Ein typischer Fehler, den ich zu Beginn meiner Karriere häufig gemacht habe:
Ich habe Stille, Enthaltung oder das Ergebnis eines Dot-Votings als Zustimmung interpretiert. Das Resultat: Das Meeting fand seinen Abschluss, und in den darauffolgenden Tagen habe ich mich gefragt, warum niemand die „beschlossenen“ Maßnahmen umsetzt. Rückblickend denke ich: Wir sollten Stille und Enthaltung nicht als Zustimmung deuten, sondern als Zeichen, das sich Menschen nicht sicher genug fühlen, sich zu äußern.
Wenn du als Facilitator Entscheidungen herbeiführen möchtest, solltest du auch die verschiedenen Formen von Entscheidungen kennen und diese mit der Gruppe vor der Entscheidung besprechen.
Hier sind die vier Formen:
- Einzelentscheidung
- Konsensentscheidung
- Mehrheitsentscheidung
- Konsententscheidung
Mehr zu diesen Formen kannst du in meinem Artikel „Vom Diskutieren zum Handeln: 4 Entscheidungsregeln, die jeder Scrum Master kennen sollte“ lesen.
Frage 8: Verbessere ich meine Fähigkeiten als Facilitator?Es gibt unzählige Studien, die belegen, wie sehr wir unsere eigenen Fähigkeiten überschätzen.
Ein prominentes Beispiel, bei dem wir uns maßlos überschätzen, ist unsere Fähigkeit, eine Ehe zu führen. Dieser Umfrage zufolge haben nur 7 % der Ehepaare einen Ehevertrag. Also ziehen nur 7 % ernsthaft in Erwägung, dass ihre Fähigkeiten nicht ausreichen, eine glückliche Ehe bis ans Ende ihres Lebens zu führen. Allerdings werden laut Statistischem Bundesamt etwa 40 % der Ehen wieder geschieden.
Das Gleiche gilt wahrscheinlich auch für unsere Fähigkeit, Meetings zu moderieren. Je mehr Erfahrung wir darin haben, desto seltener ziehen wir in Erwägung, dass die Moderation nicht perfekt ist und wir uns noch verbessern können.
Dieser Verzerrung der Wahrnehmung kannst du entgegenwirken, indem du deine eigene Einschätzung deiner Fertigkeiten stets in Relation zur Einschätzung durch andere setzt.
Konkret für die Facilitation von Meetings gibt es einige einfache Möglichkeiten:
- Bitte die Teilnehmer um Feedback: „Was sollten wir beim nächsten Meeting anders machen?“
- Verwende das Perfektion-Game: Jede Person bewertet das Meeting auf einer Skala von 1 bis 10 (10 entspricht „perfekt“). Bevor jeder seine Bewertung abgibt, erwähnt er, was ihm gut gefallen hat. Im Anschluss daran nennt jeder Teilnehmer, was passieren müsste, damit er eine 10 geben würde.
- Nutze Umfragen: Du kannst nach dem Meeting eine Umfrage an die Teilnehmer schicken, in der du sie bittest einen Vorschlag zur Verbesserung zu machen.
Ein Meeting, das regelmäßig stattfindet, sollte nie ohne konkrete Vorschläge für Verbesserungen beim nächsten Mal enden.
Vergiss niemals:
Bei jedem Meeting sollten wir etwas Neues lernen. Dies gilt auch für dich, den Facilitator!